Der Apotheker: Roman (German Edition)
bequem hätte wenden können, wäre nicht der dichte und von allen Seiten anbrandende Verkehr gewesen. Ich hatte noch nie so viele Fahrzeuge auf einmal gesehen – Kaleschen und Sänften, Karren, Kutschen und Wagen –, manchmal sogar zu dritt nebeneinander, eines das andere behindernd, mit rumpelnden Rädern und mit Kutschern, die unentwegt fluchten und schimpften. Häufig streckte ein aufgebrachter Fahrgast den Kopf aus seinem Gefährt, brüllte und schimpfte seinerseits und schwenkte drohend die Faust. Dieser Lärm wurde noch übertönt vom Klappern der Pferdehufe, von Fußgängern, die einander etwas zuriefen, von Straßenverkäufern, die lauthals ihre Waren feilboten, und vom Geläut der wohl hundert Kirchturmglocken, die die Stunde schlugen.
An einer Straßenecke war eine quietschende Drehorgel, auf der ein von Motten zerfressenes Äffchen mit einem plüschigen Scheitelkäppchen auf dem Kopf kauerte, während nur wenige Meter entfernt ein zerlumpter Geiger eine irische Gigue fiedelte, von einem nicht weniger zerlumpten Mädchen auf dem Tamburin begleitet. Etwas weiter versuchte ein Trompeter, die Aufmerksamkeit der Menge auf ein sechsbeiniges Kalb mit einem Dutt zu lenken, und ein Kesselflicker trommelte mit dem Blechlöffel auf eine Bratpfanne und leierte sein Sprüchlein herunter, dass er Kessel und Tiegel aller Art repariere. Der grölende Singsang des Fischhändlers wetteiferte mit dem Geschrei des Austernhändlers und dem lautstark verkündeten, ständig wiederholten Werberuf des Süßspeisenverkäufers:
Zwei für eine Silbermünze, vier für Sixpence!
Doch dies war noch nichts gegen die alles durchdringende Stimme des Milchmädchens, die schrill wie das Jaulen einer sterbenden Katze klang. Ein Mann mit einem altmodischen Dreispitz auf dem Kopf trug einen Käfig mit Vögeln um den Hals, die aufgeregt tschilpten und gegen die dünnen Eisenstäbe flatterten. Geistliche, Anwälte, Botenjungen, Steuereintreiber, Wasserträger und Hausierer aller Art boxten sich mit den Ellbogen in fliegender Hast ihren Weg durch das Getümmel, ohne auch nur den Kopf zu heben. Türen schlugen, Schenken und Kaffeehäuser spülten Gruppen heiser grölender Männer auf die Straße. Und pausenlos schlängelten sich Kinder wie fliegende Nähnadeln mit gellenden Schreien durch die Menge. Sie übersprangen die Gosse, die mit stinkendem glitschigen Abfall jeder nur erdenklichen Art angefüllt war, manchmal bis zu einem Meter breit, ohne die Steine zu berühren, die man dazwischengesetzt hatte, um das Hindernis leichter überwinden zu können. Geschickt wichen sie den Wagenrädern aus, die größer waren als sie selbst und bedrohlich knirschten. Von ihren Fersen spritzte der Schlamm hoch und senkte sich auf die Bettler, die staub- und rußverschmiert im Dunkel der Toreingänge zwischen Abfallhaufen kauerten und die Vorübergehenden am Rocksaum zupften, um ein paar Pence zu erbetteln.
Das Ganze mutete wie ein gigantisches, zügelloses Puppenspiel an. Vor Staunen stand mir der Mund offen, und ich hätte am liebsten die mit Sägemehl bestäubte Mütze des Tischlers angehoben, um dessen zerfurchtes Gesicht genauer zu betrachten, die schimmernden Silberknöpfe am Rock eines Dandys befühlt und die groben Fasern der abgetragenen Perücke eines alten Mannes ertastet. Gern hätte ich in das Getöse eingestimmt, um selbst Teil davon zu werden. Es hätte mir gefallen, innezuhalten und mir alles anzusehen, aber selbst das war nicht möglich. Unerbittlich wurde ich vom Menschenstrom mitgerissen. Außerdem durfte ich nicht riskieren, den Jungen aus den Augen zu verlieren, der mit der Geschmeidigkeit eines Aals vor mir durch die Menge glitt.
Ich wollte im Haus des Apothekers ankommen, ohne mich schmutzig zu machen, deshalb hielt ich mich stets an den Hauswänden, die auf Hüfthöhe die Schmutzspuren Tausender Röcke trugen. Nur einmal musste ich ausweichen, als ein rußig schwarzer Schornsteinfeger mit Ellbogen wie zugeklappte Regenschirme schnurstracks auf mich zukam und wie angewurzelt stehen blieb, die Arme in die Hüfte stemmte und mit den trübweißen Augen rollte, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als auf die Fahrbahn zu treten, wo mich ein Nussverkäufer mit seinem Handkarren prompt am Schienbein rammte und mehrere Sänftenträger fluchend beschimpften, weil ich ihnen den Weg versperrte. Eingeschüchtert drückte ich mich wieder an den Hausmauern entlang, doch gerade, als ich an einem schmalen Hofdurchgang vorbeikam, gingen dort
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