Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
Vom Netzwerk:
ein Feuer speiender Drache, hab ich recht, meine Liebe?«
    Beleidigt schüttelte seine Frau ihre Hängebacken und verschluckte sich an ihrem Zuckerwerk.
    »Klug ist die Frau, die ihrem Mann misstraut«, erklärte das Milchgesicht.
    »Und ein willensschwacher Narr ist der Mann, der einer boshaften Frau das Regiment im Haus überlässt«, sagte höhnisch der Grashüpfer.
    Der Ehemann der Dicken lächelte ohne Groll.
    »Ich versichere Ihnen, Sir, dass meine Frau so gehorsam und pflichtbewusst ist, wie ein Mann es sich nur wünschen kann. Sie ist stets mit mir einer Meinung. Allerdings«, fügte er augenzwinkernd hinzu, »weiß ich bisweilen erst dann, was ich von manchen Dingen halten soll, wenn mich meine Frau darüber in Kenntnis setzt.«
    Schallendes Gelächter ringsum. Jetzt, da die Fahrt dem Ende entgegenging, herrschte auf einmal eine gesellige, mitteilsame Atmosphäre.
    Nur ich schwieg. Wir hatten schon vor geraumer Zeit Hampstead Hill hinter uns gelassen. Mit jeder neuen Umdrehung der Räder stieg und sank meine Stimmung, und mit jedem Ruck der Kutsche stockte mir der Atem in der Brust und krallte sich der Wurm in meinem Bauch fest, bevor er wieder losließ – ein Schmerz wie beim Einsetzen der Wehen. Inzwischen waren wir eingetaucht in das Wolkenland, auf das ich von oben geblickt hatte, und von Sekunde zu Sekunde näherte ich mich immer mehr seinem Zentrum, dem Ort, wo die Kuppel gen Himmel strebte und mich meine grausige Strafe, die Knechtschaft, erwartete.

Ein zufriedenstellender Tag.
    Mein Magen hat sich etwas beruhigt, obwohl sich unter der Haut unweit des rechten Hüftknochens ein bedenklicher Bluterguss gebildet hat. Ich habe Beinwell eingenommen, um die Blutstockung zu lösen, & einen Breiwickel angelegt, ebenfalls mit Beinwell, um die Stauung von außen einzudämmen. Ich muss darauf achten, dass mein Blut & meine Körpersäfte ausreichend dünn & flüssig bleiben, damit sie möglichst ungehindert ihren Weg durch diese animalischen Fasern machen können, wenn ich nicht einrosten & träge werden will. Zu diesem Zweck lasse ich mich wöchentlich einmal zur Ader & schlucke weiterhin täglich drei Gran Opium, denn der Mohn lindert nicht nur die schlimmsten Schmerzen, er sorgt auch für eine harmonische Gesamtkonstitution, sodass jeder Teil in Einklang mit den anderen agieren kann. Tatsächlich habe ich noch nie so schnell & mit einer solchen geistigen Klarheit gearbeitet.
    Alles ist vorbereitet. Noch ein paar Tage, nur noch Tage, dann werde ich endlich – endlich – anfangen können, die Grundelemente meines Beweises darzulegen.
     
    Auf einmal scheint mir, als verstünde ich genau, wie schon in utero entschieden wird, ob ein Kind schwer geistesgestört ist oder, wie in diesem Fall, ein Idiot wird. Ich muss dies zu Papier bringen, bevor es mir wieder entgleitet, & doch ist es mir so sonnenklar, dass ich gar nicht verstehe, warum es mir nicht schon früher aufgefallen ist. Ganz sicher hängt dies von der Art der mütterlichen Leidenschaften ab. Schwere geistige Umnachtung ist ja die Folge jener Leidenschaften, die sich ganz deutlich durch hervorquellende Augen, erweiterte Adern, Gesichtsröte & heftigen Pulsschlag sowie in Wut & übermäßiger geschlechtlicher Begierde manifestieren. Idiotie hingegen muss die Folge heftiger Gefühle sein, die durch Gesichtsblässe, tiefe Ohnmacht, Kälte der Gliedmaßen & unregelmäßigen Puls sowie übertriebene Ängstlichkeit sichtbar werden.
    Das ist vollkommen offenkundig, offenkundig & unbestreitbar. Nicht zum ersten Mal fühle ich mich in Hochstimmung & dennoch ruhig, ohne den geringsten Zweifel. Das Opium wirkt wie ein Wetzstein, der die Klinge meines Verstandes so lange schärft, bis er Mehrdeutigkeit & Unwissenheit durchdringt wie die Klinge eines Anatomen, die alle Geheimnisse offenlegt.
    Ich werde Mrs Black die Idiotin zu mir bringen lassen, um sie weiter zu untersuchen. Ihre Verletzung ist inzwischen sicher geheilt, denn es war kein sehr heftiger Schlag, & ihre kindlichen Knochen sind noch viel zu weich, um schnell brechen zu können. Sie muss Duldsamkeit lernen. Jetzt, da meine Wahrnehmung so geschärft ist, darf ich keinen Augenblick vergeuden.

VI
    U nd so betrat ich an einem Januartag im Jahre des Herrn 1719 , einem Nachmittag, so grau wie Spülwasser, zum ersten Mal den schmutzigen und reichen Boden Londons. Die Kutsche setzte uns in einem Gasthof in Holborn ab. Ich wusste kaum, wohin ich den Blick wenden sollte, so verwirrend vielfältig waren der

Weitere Kostenlose Bücher