Der Apotheker: Roman (German Edition)
den miefigen Geruch von Schweiß und Blut ein, der dem Bett entstieg. Jede Bewegung tat mir weh. Draußen vor dem Fenster räkelte sich der Halbmond, bleich und matt, auf einem schmalen Wolkenpolster, aber der Himmel war sternenübersät. Als Mary schließlich ins Bett kroch, schwankte die Matratze und versetzte meinem schmerzenden Bauch einen Stoß, dass ich wimmerte. Mary gab ein seltsam tierisches Grunzen von sich und drückte ihren Rücken an mich. Ihr Atem war schwerfällig und klumpig wie Haferbrei, und sie lutschte an ihrer Zunge, als wollte sie sie verschlucken. Das Geräusch machte mich wütend, wie üblich, aber in meinen Ärger schlich sich noch etwas anderes ein, etwas, das mich in der Kehle würgte.
Mehrere Minuten lag ich da und horchte auf ihre Laute. Doch ich stieß nicht wie sonst ihre Beine beiseite oder stach sie mit spitzem Finger in den Rücken, damit sie endlich Ruhe gab, sondern legte behutsam meine Hand auf ihren Rücken. Unter ihrer Haut spürte ich die sanften Erhebungen ihrer Wirbelsäule. Mary erstarrte. Sofort zog ich meine Hand zurück und drehte mich um. Der fahle Mond warf den Schatten des Fensterkreuzes auf den Boden. Mary seufzte. Sie wälzte sich herum und schmiegte sich an mich. Ihre klebrige Kinderhand suchte nach der meinen. Ich zögerte, schob sie aber nicht weg. Eifrig mit den Zähnen mahlend, verwob sie ihre Finger mit den meinen, während sich ihr Körper an meine Seite drückte. Sie war warm wie eine Wärmflasche unter ihrem Nachthemd. Als ich mir sicher war, dass sie schlief, drückte ich ihre Hand an meine Wange und spürte den sanften Bogen ihrer Knöchel an meiner Schläfe. Ihre Finger rochen nach Salz und Zimt.
Dann schlief auch ich ein. In dieser Nacht hatte ich keine Träume.
Um ein Haar, nur um ein Haar. Mein Herz schlägt noch wie rasend, denn ich dachte, es sei verloren, wir hätten es verloren. Wie meine Hand zittert. Die Angst steckt mir noch in den Knochen, der Gestank von Blut in der Nase, obwohl ich mich abseitshielt, unfähig zu warten. Es muss alle erdenkliche Vorsorge getroffen werden, den Fötus zu beruhigen; zwangsweise Bettruhe für mehrere Tage, drei Mal täglich abgeklärter Wegerichtee, um die Blutung zu hemmen.
Ich habe ein wenig Tinktur genommen & fühle mich nun ruhiger, mein Herz schlägt langsamer, pumpt das Blut weniger heftig durch meine Gliedmaßen. Auch fühle ich mich klarer & von dem offensichtlichen Wunsch der Versuchsperson in Bann geschlagen, das Kind loszuwerden. IST DIES EIN POSITIVER BEITRAG ZUM ERFOLG DER PRÄGUNG ?? Bisher hatte ich die Auswirkungen von mütterlichem Unwillen gegenüber dem Fötus nicht berücksichtigt, doch nun begreife ich, dass der Abscheu der Mutter gegen den Fötus die Prägung durch die Einbildungskraft beeinflussen muss.
Man beachte das übermäßige Vorhandensein von Missbildungen unter der armen Bevölkerung & insbesondere, wenn die Kinder aus jenen lasterhaften Beziehungen hervorgehen, die nicht durch den Ehestand gebilligt sind. Natürlich sind solche Frauen zu ihrem Leidwesen vermehrt der Hässlichkeit & der Verunstaltung ausgesetzt & und damit einem höheren Risiko, dies ihrem Kind einzuprägen, auch wird ihre Einbildungskraft nicht durch die zivilisierenden Effekte der Frömmigkeit oder der Vernunft & Gelehrsamkeit gemäßigt & ist daher in ihren Auswirkungen roher & wilder.
ABER DIES IST NOCH NICHT ALLES
Denn unbestreitbar sind bei Frauen aus den niederen Schichten viele Schwangerschaften, vielleicht sogar die meisten, ungewollt/unerwünscht, weil es solchen Frauen an den sanfteren mütterlichen Tugenden & auch an Mitteln und Möglichkeiten mangelt, für ihren Nachwuchs zu sorgen, & daher werden Angst & Leidenschaft, die die Prägung bewirken, womöglich nicht nur durch äußerliche Faktoren hervorgerufen, sondern durch die Tatsache der Schwangerschaft selbst.
DARAUS FOLGT eine heftige Ablehnung des ungeborenen Kindes; aggressiver Unwille, gesteigert durch Unwissenheit & rohe Instinkte
→ zusätzliche Hitze, die die Gärung verstärkt, & folglich vermehrte Salzablagerungen, die sich über die festen Körperteile des ungeborenen Fötus legen & sie mit ihrem Abbild infizieren
↓
ABNEIGUNG DER VERSUCHSPERSON GEGENÜBER DEM FÖTUS FÖRDERN WO IMMER MÖGLICH
XV
D er Wurm überlebte.
Nach der Blutung befiel mich ein Fieber, das beinah eine Woche dauerte, mich ans Bett fesselte und, bedingt durch das bitterkalte Wetter, das in den späten Märztagen die Stadt
Weitere Kostenlose Bücher