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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Apotheker sagte nichts, er klopfte nur mit der Spitze seines Stocks auf meinen Bauch. Ich wich zurück. Sein Gesicht war unsichtbar hinter dem schwarzen Schatten seines Schleiers.
    »Ich … ich würde mich gern für Sie nützlich machen, Sir. Nach allem, was Sie für mich getan haben.«
    Wieder eine lange Pause.
    »Wie groß deine Angst sein muss«, murmelte er. »Wie ungeheuer groß.«
    Damit ließ er mich stehen. Ich starrte ihm nach, und der Speichel erkaltete in meinem offenen Mund.
    Mehrere Tage vergingen. Dann, eines Morgens, als ich den Flurspiegel polierte, hörte ich, wie der Herr und die Herrin im Salon hitzig miteinander debattierten. Ich blieb vor der Tür stehen und lauschte.
    »Sind Sie verrückt geworden? Selbstverständlich muss ich die Bücher haben! Wie soll ich sonst arbeiten?«
    »Aber so viele? Könnten Sie sich in Ihren Ausgaben nicht ein wenig beschränken? Unsere Gläubiger werden schon ungeduldig, Sir. Man munkelt etwas von Newgate und Schlimmerem.«
    »Madam, ich stehe an der Schwelle einer großen Entdeckung, und Sie drohen mir mit dem Schuldturm? Das ist nun wirklich kein Ansporn! Hat man etwa Mr Sydenham mit derart kleinlichen Sorgen behelligt? Und Hippokrates? Wenn Sie sparen wollen, dann schicken Sie das Mädchen zum Kräutersammeln. Ihre Mutter verstand sich auf die Anwendung von Heilkräutern, daher kennt sie die wichtigsten Kräuter. In Zukunft erwarte ich solche Findigkeit von Ihnen, bevor Sie kommen und mir etwas vorjammern.«
    Am folgenden Nachmittag, als Mary das Zinn polierte, übergab mir Mrs Black einen Korb. Ich sollte Richtung Norden gehen, nach Islington Spa, einem drei, vier Kilometer entfernt gelegenen Dorf, das für sein heilkräftiges Wasser berühmt war. Ich sollte so viele Kräuter sammeln, wie ich konnte. Mir kribbelte es in den Fußsohlen. Trotz allem war es noch nicht zu spät. Ich nickte Mrs Black eifrig zu, aber sie war noch nicht fertig. Unter keinen Umständen dürfe ich allein gehen, fuhr sie fort. Edgar sollte mich begleiten.
    Edgar lächelte. Mir sank der Mut.
    »Und seid zurück, bevor es dunkel wird«, murmelte meine Herrin leise zu Edgar, als wir uns anschickten zu gehen. »Auf diesem Weg gibt es viele Straßenräuber.«
    Es war ein düsterer, aber milder Tag, in der Luft lag ein würziger Geruch nach Regen. Selbst dieses trübe Licht war für meine Augen zu viel. Ich stand blinzelnd auf der Türschwelle und atmete die von Rauch, Ruß und Tierkot geschwängerte Luft ein. Seit über einem Monat hatte ich nicht mehr den Himmel auf meiner Haut gespürt. Jetzt, da ich den häuslichen Käfig verlassen hatte, überkam mich das Gefühl, ich würde zerfließen, meine Form verlieren wie eine Wolke.
    Als ich auf die Gasse hinaustrat, wurden mir die Füße schwer, denn an den Sohlen der Holzschuhe, die ich mir geliehen hatte, blieb der Lehm kleben. Edgar schritt forsch vor mir her, die Hände in den Taschen vergraben. Am nördlichen Ende der Gasse, dort, wo sie in die Cheapside mündete, blieb er stehen, damit ich ihn einholen konnte. Wie ein reißender Strom rauschte und brauste die Hauptstraße zwischen ihren Ufern, die von Geschäften mit glänzenden Schaufenstern gesäumt wurden. Edgar musste schreien, damit ich ihn hören konnte.
    »Du folgst dieser Straße bis zur Kathedrale. Und falls du dich fragst, was das ist, du kleine Hinterwäldlerin: Eine Kathedrale ist eine Kirche, nur größer. Auf der Straße, die von dort nach Norden führt, kommst du direkt nach Islington.«
    Ich runzelte missbilligend die Stirn, verwirrt und immer noch ein bisschen außer Atem.
    »Aber Mrs Black …«
    »Die liebe Mrs Black. Ich würde dir nicht empfehlen, sie dir zum Feind zu machen.« Er packte mich am Arm und bohrte mir die Fingernägel ins Fleisch. »Wir treffen uns an der Kirche Mary-le-Bow, wenn der Wächter die achte Stunde ausruft. Frag dich durch, wenn du’s nicht findest. Es wäre sehr unklug, nicht pünktlich zu sein.«
    Edgar näherte sein Gesicht dem meinen. Er roch nach Schweiß und Stilton-Käse. Um uns herum herrschte ein Gedrängel und Geschubse, immer wieder blieb jemand schreiend stehen und verursachte dadurch wirbelnde Strudel im Verkehrsfluss, während schwankende Sänften sie umschifften. Dann drückte er noch einmal fest zu und ließ meinen Arm unvermittelt los. Ich erhaschte noch einen Blick auf seine Hutkrone, bevor er vom Strom mitgerissen wurde.
    Ich starrte ihm entgeistert nach. Ringsumher drängten sich die Menschen, jeder von ihnen von

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