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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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nach wie vor ein Unterschied besteht zwischen jemandem, der sich auf die Arzneikunst versteht, & jemandem, der sich darauf versteht, sich als Arzt auszugeben.
    Was Ihre Kritik an meiner Abhandlung angeht, so lasse ich mich gern auf einen Disput über jede einzelne Ihrer Bemerkungen ein. Ich stehe kurz vor einer großen Entdeckung, deren Beweis ich in Händen halte. In meinen Händen. Wie können Sie es daher wagen, mir zu empfehlen, »wenn & falls Sie irgendetwas von Belang entdecken, wäre es angebracht, Ihre Beobachtungen der Society zu unterbreiten, ohne die zusätzliche Beschwernis einer Analyse oder Deutung« – als wäre ich nicht mehr als ein gewöhnlicher Beobachter? Sind Sie vom Ruf Ihrer Kollegen so geblendet, dass Sie nicht sehen, was diese tun, nämlich Männer wie mich eines Lebenswerks zu berauben & es für ihr eigenes auszugeben? Ich mag nur ein einfacher Gelehrter sein, Sir, aber ein Narr bin ich gewiss nicht.
    Mr Johanssen, ich spreche freimütig zu Ihnen & beabsichtige, noch freimütiger zu sein. Ich werde mich nicht erdreisten, die Hintergründe infrage zu stellen, der Sie Ihre Wahl in die Society zu verdanken haben. Doch halte ich es für nichts weniger als meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, dass ein Mann, der einen gewissen Erfolg genießt – sei es durch eigenes Verdienst oder durch die Förderung, die er durch andere erfahren hat –, Gefahr läuft, der Eitelkeit & dem Eigennutz zu erliegen. Er reicht anderen nicht mehr die Hand, auf dass sie ebenfalls höhersteigen können, sondern stößt ihnen im Gegenteil die Leiter weg, um seine Position gegen jene zu schützen & zu verteidigen, die seinen Rang gefährden könnten.
    Das Gewissen eines Menschen kann im Laufe der Zeit & aus Bequemlichkeit & Trägheit stumpf & blind werden. Aber lassen Sie mich noch dies sagen: Vergessen Sie nicht, dass unser Herr im Himmel, in dessen Hände wir uns dereinst am Tag des Jüngsten Gerichts begeben, solche Menschen mit Missmut betrachtet, mögen sie Mitglied dieser oder jener Society sein & von den wenigen Mächtigen hoch geschätzt werden, bei denen sich einzuschmeicheln sie bemüht sind.
    Es ist unklug, sich in diesem kurzen Leben auf Erden Feinde zu schaffen. Aber sich im Himmel Feinde zu schaffen ist gewiss verheerend.
    Ich verbleibe, Sir, & c
     
    GRAYSON BLACK

XIV
    E ingedenk der Warnung meines Herrn nahm ich mir vor, keine Angst zu haben, stellte aber fest, dass sich Angst aus sich selbst nährt und ein Gebäude des Schreckens errichtet, dem nicht zu entfliehen ist. Am ersten Abend trank ich den Tee, den Mrs Black mir gab und der meinen Schlaf fördern sollte, aber die grässliche Erscheinung kehrte wieder, und sie war so real, dass ich den fleischigen Gestank ihres Atems roch. Von da an verzichtete ich auf den Tee, tat aber so, als würde ich ihn trinken, und kämpfte mit aller Kraft gegen den Schlaf, aus Furcht vor dem Grauen, das in seinen dunklen Gemäuern lauerte. Und wenn mich die Müdigkeit schließlich doch überwältigte, wurde ich von den Schreckensbildern heimgesucht. Es waren aber nicht immer dieselben, vielmehr veränderten sie ihre Gestalt, sodass mir nicht einmal das Fünkchen Trost blieb, dass man sich sogar an einen entsetzlichen Albtraum gewöhnen könne, wenn es immer derselbe wäre. Ich wurde durch mein eigenes Schreien wach, und in der dritten Nacht auch durch Marys Kreischen, worauf Mrs Black in die Dachkammer stürmte, das Gesicht vom Schlaf zerknittert und das graue Haar zu einem notdürftigen Zopf geflochten, der ihr steif aus der schlichten Nachthaube hing. Nachdem sie mich mit ihrer Birkenrute geschlagen hatte, erklärte sie, dies sei das letzte Mal gewesen, dass sie meine Störung geduldet habe. Von nun an müsse ich in der Küche schlafen.
    Am folgenden Morgen brach Mary in Tränen aus, als ich meine Habseligkeiten in die Truhe packte, um sie in die Küche zu schaffen. Sie klammerte sich mit ihren rissigen Händen an mich und schüttelte den Kopf.
    »Nein, nicht, nicht«, bettelte sie mit schwerer Zunge, die in ihrem Mund zappelte wie ein Fisch. »Nicht gehen. Bitte, bitte, Lize. Bei Mar’ bleiben …«
    Sie drückte ihr Gesicht an meine Schulter und verschmierte mich mit Rotz und Tränen. Ich starrte auf ihren Kopf. Beim Anblick der kahlen, haarlosen Stelle schossen mir die Tränen in die Augen. Plötzlich verspürte ich große Lust, sie zu schlagen, stieß sie dann aber nur grob von mir weg. Als ich meine Truhe hochhob, schürfte deren scharfe Kante ihr das

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