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Der Apotheker: Roman (German Edition)

Der Apotheker: Roman (German Edition)

Titel: Der Apotheker: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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heimsuchte, noch mehr schwächte. Wenn mich die Zuckungen des Wurms nachts aufschreckten, dachte ich an die Krämpfe, die wie ein eiserner Reifen den Leib abgeschnürt hatten, und an den dunklen Fleck, wo mein Blut noch immer den Treppenabsatz färbte, und wurde von blankem Entsetzen gepackt, das mir heiße Urintröpfchen aus der Blase presste. Ein Gedanke jedoch war stärker als alle anderen: Die gemeine Kreatur musste aus mir heraus, tot oder lebendig. Doch ich glaubte nicht, genügend Kraft zu haben, um dies zu überstehen.
    Es dauerte mehr als zwei Wochen, bis ich imstande war, meine häuslichen Pflichten wiederaufzunehmen, jetzt ermüdete ich jedoch schnell. Erschöpfung vernebelte mir den Kopf und raubte mir den Appetit, und ich sehnte mich nur noch nach Schlaf. Trotzdem nahm mein Körperumfang zu, und mein Bauch wölbte sich wie eine Kuppel. Das Warten quälte mich wie ein erstickter Schrei in den Tiefen der Lunge. Ich hustete mir die Kehle wund, ohne mich von meiner Last befreien zu können. Als die Tage länger wurden, bekam der Wurm Ecken und Kanten, die er in meine empfindliche Blase stieß und die meinen Bauch ausbeulten. Nachts hämmerte er gegen die Wirbelsäule. Mein Mieder ließ sich nicht mehr schließen. Zwar befand Mrs Black, ich wäre so gut wie genesen, hielt es aber nicht für angebracht, dass ich weiterhin im Laden aushalf. Die wenigen Male, da der Herr Besucher empfing, durfte ich mich nicht blicken lassen. Hinter verschlossenen Türen hörte ich Stimmen, erhaschte die schwachen, unvertrauten Gerüche fremder Besucher in der reglosen Luft der dunklen Treppenabsätze, doch außer den Bewohnern der Swan Street bekam ich niemanden zu Gesicht. Im Spiegel, der im Flur hing, sah ich trotz meines unförmigen Leibes unter dem locker sitzenden Kleid bleich und körperlos aus wie ein Geist. Mich überkam das beklemmende Gefühl, unsichtbar zu sein, falls ich mich jemals auf die Gasse hinauswagte.
     
    Nachts hörte ich die Schritte des Herrn. Edgar zufolge ging er unablässig auf und ab und kritzelte in seiner gedrungenen Handschrift Bogen um Bogen Papier voll, das er in einem abgeschlossenen Holzschränkchen in seinem Arbeitszimmer aufbewahrte. Ganz oben auf jeder Seite stand das Motto der Apothekervereinigung,
Opiferque per orbem dicor,
das Edgar täglich vor dem Frühstück auf zahllose frische Bögen malen musste. Edgar beschwerte sich, dass nunmehr diese vier armseligen Wörtchen durch seinen Schädel geisterten, einander wie Hunde jagten und seine Träume beherrschten, in denen er bis dahin Trost gefunden habe. Und ich fragte mich voll Unbehagen, ob etwa genau dies die Absicht des Apothekers sei und er womöglich nicht nur meine, sondern auch Edgars Träume in seine Untersuchungen einbezog.
    »Was bedeuten sie eigentlich, diese Wörter?«, fragte ich Edgar einmal, als ich das Bedürfnis hatte, den Klang meiner eigenen Stimme zu hören.
    »Deine Unwissenheit versetzt mich immer wieder in Erstaunen«, erklärte er. »Diese verfluchte Feder, muss sie denn ständig klecksen?« Er starrte wütend auf das Blatt vor sich und knüllte es zu einer Kugel, die er Richtung Feuer warf. Sie sprang von der Kaminwand zurück und rollte über die Fliesen, und ich hob sie auf und strich die Seite glatt. »Wenn’s dich interessiert, es heißt in etwa: ›Ich werde überall der Hilfebringer genannt.‹ Die reinste Ironie, wenn man’s recht bedenkt. Denn was für eine Hilfe könnte wohl unser geschätzter Haustyrann jemandem bringen? Wenn in diesem Haus jemand einen solchen Titel verdient hat, dann bin ich es. Ich bringe so oft ›Hilfe‹ in dieses Arbeitszimmer hinauf, dass man sich wundern muss, dass meine Schuhsohlen nicht längst durchgelaufen sind. Und um des lieben Friedens willen: Verbrenne dieses Blatt Papier, bevor die Herrin anfängt, uns einen Vortrag über häusliche Sparsamkeit zu halten.«
    Auch wenn Edgar übertrieb, so stimmte es doch, dass Mr Black inzwischen von dem Opiumaufguss abhängig war, der seine Beschwerden linderte. Er litt an qualvollen Magenkrämpfen, und bei einem solchen Anfall nahm er eine selbst erfundene Mixtur aus Opium, Rhabarber und Kampfer zu sich, aufgelöst in einem Glas kanarischen Weins. Die Wirkung dieses Mittels war erstaunlich und gleichzeitig zutiefst beängstigend. Er krümmte sich vor Schmerzen, unfähig, zu gehen, ja sogar zu sprechen, aber wenn er sein Laudanum geschluckt hatte, glänzten seine Augen wie schwarze Perlen, durchglüht von dunklem Feuer. Sein Atem

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