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Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Titel: Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Solschenizyn
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Planerfüllung) nicht viel kleiner war als ihre ehrlich verdiente Soldatenration. Außerdem waren sie erbittert, weil sie, die Wachsoldaten, im Winter auf den Türmen froren (allerdings in knöchellangen Pelzmänteln), während die Volksfeinde, kaum hatten sie die Produktionszone betreten, in den Wärmeräumen verschwanden (er hätte auch vom Wachtturm aus sehen können, daß es nicht so war) und dort den ganzen Tag schliefen (er glaubte allen Ernstes, daß die Lager Wohltätigkeitsanstalten waren).
    Interessante Gelegenheit, das Lager mit den Augen eines Konvoisoldaten zu sehen! Ich fragte ihn, was denn das für Scheusale gewesen seien und ob er mit ihnen persönlich gesprochen habe. Und da erzählte er mir, daß er alles von den Politruks erfahren habe, daß man ihnen im Politunterricht sogar «Akten» vorgelesen habe. Natürlich war auch diese unsinnige Erbitterung über das Faulenzerleben der Häftlinge in ihm nicht entstanden, ohne daß die Offiziere dazu beifällig genickt hätten.
    O ihr Verführer, die ihr diesen Kleinen Ärgernis gebt! … Es wäre besser für euch, nicht geboren worden zu sein!
    Er erzählte auch von verschiedenen Vorfällen. Einer seiner Kameraden glaubte einmal zu sehen, daß jemand aus der Kolonne ausbrechen wollte. Er drückte den Abzug und tötete mit einer Kugel fünf Häftlinge. Da später die anderen Konvoisoldaten übereinstimmend aussagten, daß die Kolonne friedlich marschierte, wurde der Soldat schwer bestraft: Er bekam fünfzehn Tage Bau (natürlich im warmen Garnisonskarzer) – als Sühne für fünf tote Häftlinge.
    Aber das sind Fälle, wie sie jeder kennt, wie sie jeder Archipel-Bewohner berichten kann! Wie viele davon haben wir in den ITL-Lagern erlebt: Auf Arbeitsstellen, wo es keine Zone gibt, sondern nur eine unsichtbare Sperrlinie – plötzlich fällt ein Schuß und ein Häftling stürzt tot nieder.
    Warum? Ein Mensch mit Waffe! Ein Mensch mit der unkontrollierten Macht zu töten oder nicht zu töten!
    Außerdem bringt es noch was ein! Die Lagerleitung ist immer auf deiner Seite. Mord an Häftlingen wird nie bestraft. Im Gegenteil, du wirst gelobt, belohnt, und je früher du ihn umlegst, bevor er noch einen ganzen Schritt getan hat, um so größer ist deine Wachsamkeit, um so größer ist die Belohnung! Ein Monatssold. Ein Monat Urlaub.

    Aber dann war auch die allgemeinmenschliche Anlage in ihnen schwach oder überhaupt nicht vorhanden, wenn sie sich gegen Eid und Politunterricht nicht behaupten konnte. Nicht aus allen Generationen und nicht aus allen Völkern lassen sich diese Bürschchen formen.
    Ist das nicht die Grundfrage des 20. Jahrhunderts: Darf man Befehle blind ausführen und die Gewissensentscheidung anderen überlassen? Darf man auf eigene Vorstellungen von Gut und Böse verzichten und sie ausschließlich aus den gedruckten Instruktionen und mündlichen Weisungen der Vorgesetzten beziehen? Heiliger Eid! Diese feierlichen Beschwörungsformeln, die mit bebender Stimme ausgesprochen werden und ihrem Sinn nach dem Schutz des Volkes gegen Übeltäter dienen – wie leicht lassen sie sich gegen das Volk kehren und in den Dienst der Übeltäter stellen!

10
Wenn der Zonenboden glüht
    Verwunderlich ist nicht, daß es in den Lagern keine Meutereien und Aufstände gegeben hat, sondern daß es sie trotzdem gegeben hat.
    Wie alles Unerwünschte in unserer Geschichte, das heißt, drei Viertel des wirklich Geschehenen, wurden auch diese Lageraufstände feinsäuberlich herausgeschnitten oder überpinselt, die Beteiligten vernichtet, die Zeugen eingeschüchtert, die Berichte der Unterdrücker verbrannt oder hinter zwanzigfachen Safewänden verschlossen, so daß diese Aufstände bereits jetzt, da sie erst fünfzehn oder zwanzig Jahre zurückliegen, zum Mythos geworden sind. (Ist es da verwunderlich, wenn es heißt, es habe weder Christus noch Buddha noch Mohammed gegeben? Wo doch Jahrtausende dazwischen liegen …)
    Wenn diese Ereignisse keinen Lebenden mehr bewegen, werden die Historiker zu den Resten der Akten Zugang erhalten, werden die Archäologen mit dem Spaten irgendwo herumstochern, irgendwas im Laboratorium verbrennen – und man wird erfahren, wann, wo und wie sich diese Aufstände abspielten und wer ihre Anführer waren.
    Dann werden wir – nein, nicht mehr wir – vielleicht auch von dem legendären Aufstand des Jahres 1948 auf dem Bauobjekt Nr. 501 (während des Baus der Eisenbahnlinie Siwaja Maska – Salechard) erfahren. Legendär deshalb, weil in den

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