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Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition)

Titel: Der Archipel GULAG: Vom Verfasser autorisierte überarbeitete und gekürzte Ausgabe in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Solschenizyn
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Gericht um nichts mehr bitten. Der Reigen seiner Verbrechen, den sie aus der Vergangenheit herbeizitiert und ihm von neuem vorgeführt haben, erfülle ihn mit Abscheu, sagt er, und darum wolle er nicht länger leben.
    Es ist das Höchste, was das Gericht erreichen kann: wenn das Laster so gründlich verurteilt ist, daß auch der Verbrecher davor zurückschreckt.
    Ein Land, das das Laster sechsundachtzigtausendmal durch seine Richter verurteilen ließ (und es in der Literatur und unter der Jugend endgültig verurteilt hat), wird Jahr um Jahr, Stufe um Stufe von ihm gereinigt.
    Und was bleibt uns? … Irgendwann werden unsere Nachfahren manche aus unserer Generation als Generation von Schlappschwänzen bezeichnen. Zuerst ließen wir uns wie Lämmer zu Millionen mißhandeln, dann hegten und pflegten wir die Mörder bis in ihr glückliches Alter.
    Was tun, wenn für sie die große Tradition des russischen Büßens unverständlich und lächerlich ist? Was tun, wenn die tierische Angst, auch nur ein Hundertstel von dem erdulden zu müssen, was sie anderen angetan, in ihnen jeden Hang zur Gerechtigkeit überwiegt? Wenn sie gierig die süßen Früchte ernten, die aus dem Blut der Gefallenen aufgegangen sind?
    Natürlich sind sie, die am Fleischwolf kurbelten, na, zumindest im Jahre 37, heute nicht mehr die Jüngsten, sie stehen zwischen fünfzig und achtzig und haben ihre besten Jahre sorglos, satt und durchaus komfortabel gelebt: jede gleiche Vergeltung kommt zu spät, kann an ihnen nicht mehr vollzogen werden.
    Wir wollen ja auch großmütig sein, wir werden sie nicht erschießen, wir werden sie nicht mit Salzwasser vollschwemmen, nicht mit Wanzen bestreuen, nicht zur «Liegewaage» aufzäumen, nicht schlaflos sie eine Woche lang strammstehen lassen, weder mit Stiefeln sie treten noch mit Knüppeln sie prügeln, noch mit Eisenringen ihren Schädel quetschen, auch nicht wie Postsäcke sie in eine Zelle schichten, einen über den anderen – nichts von dem, was sie getan! Aber wir sind unserem Land und unseren Kindern verpflichtet, ALLE ZU FINDEN UND ALLE ZU RICHTEN! Nicht so sehr sie zu richten als vielmehr ihre Verbrechen. Zu erreichen, daß es jeder von ihnen zumindest laut ausspricht:
    «Ja, ich bin ein Mörder und Henker gewesen.»
    Und wenn dieses in unserem Lande nur zu einer Viertelmillion von Malen gesagt worden wäre (im Verhältnis, um hinter Westdeutschland nicht zurückzustehen) – vielleicht hätte es schon gereicht?
    Unmöglich ist es doch, im 20. Jahrhundert nicht zu unterscheiden zwischen der gerichtlich zu ahnenden Bestalität und jenem «Vergangenen», das wir «nicht aufrühren sollen»!
    Wir müssen klar und vernehmlich schon die IDEE allein verurteilen, die die Willkür der einen gegen die anderen rechtfertigt! Indem wir über das Laster schweigen und es nur tiefer in den Körper treiben, damit kein Zipfelchen herausragt, säen wir es, und morgen geht es tausendfach auf. Nicht einfach darum geht es, daß wir das nichtige Alter der Henker behüten, indem wir sie nicht strafen, nicht einmal tadeln – wir berauben damit die neuen Generationen jeder Grundlage der Gerechtigkeit. Darum sind sie so «gleichgültig» geraten, nicht der «Erziehungsschwächen» wegen. Die Jungen merken sich’s, daß die Niedertracht auf Erden niemals bestraft wird, indes immer zum Wohlstand führt.
    Und wie unbehaglich, wie unheimlich wird es sein, in einem solchen Land zu leben!

5
Erste Zelle – erste Liebe
    Wie das? Wie reimt sich das zusammen? … Zelle und Liebe. Ach, so wohl: Sie haben dich während der Leningrader Blockade ins Große Haus gesteckt? Dann ist’s zu verstehen: Du bist nur darum noch am Leben, weil du hineingerietest. Es war der beste Ort in Leningrad – nicht für die Untersuchungsrichter nur, die dort auch wohnten, auch Arbeitszimmer in den Kellern hatten, für den Fall, daß von drüben geschossen wurde. Ohne Spaß, in Leningrad hat sich damals niemand gewaschen, die Gesichter waren schwarz überkrustet, aber im Großen Haus wurden die Gefangenen an jedem zehnten Tag unter die heiße Dusche geführt. Ja, zugegeben, geheizt wurde nur in den Gängen, für die Aufseher, nicht in den Zellen, aber es funktionierte in den Zellen noch die Wasserleitung und der Abtritt – wo gab’s denn so was sonst in Leningrad? Und die Brotration war wie draußen, hundertfünfundzwanzig Gramm. Dazu bekamst du aber noch einmal am Tag einen Pferdesud vom Schlachtvieh und einen Schlag Grütze obendrein!
    Neidisch war die

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