Der Archipel in Flammen
Umgebung, in der sich ihre ganze Jugend abgespielt hatte? ohne die führende Hand einer Mutter? ohne eine Genossin, mit der sie die ersten Mädchengedanken hätte austauschen können? Hadschina Elisundo war von mittlerer Größe, aber von vornehmer Figur. Durch ihre griechische Herkunft mütterlicherseits erinnerte sie an den Typus jener schönen jungen Weiber Lakoniens, die über alle Weiber des Peloponnes den Sieg davontrugen.
Von einer besonderen Zärtlichkeit war zwischen Tochter und Vater keine Rede; sie konnte auch kaum vorhanden sein. Der Bankier lebte allein, still, zurückgezogen – er gehörte zu jenen Menschen, die zumeist den Kopf wenden und die Augen bedecken, als wenn ihnen das Licht weh täte. Wenig mitteilsam sowohl in seinem Privatleben wie im öffentlichen Leben, ging er niemals aus sich heraus, selbst im Verkehr mit seinen Geschäftskunden nicht. Wie hätte also Hadschina solchem abgeschlossenen Leben Reiz abgewinnen können, da sie im Bereich der Mauern, hinter denen ihr Leben verfloß, kaum den Weg zum Vaterherzen offen fand!
Zum Glück lebte in ihrer Nähe eine gutmütige, treue, liebevolle Seele, die bloß lebte für ihre junge Herrin, die mit ihr traurig war, deren Züge sich aufhellten, wenn sie auf den Zügen der Herrin Fröhlichkeit sah. Ihr ganzes Leben ging auf im Leben ihrer Hadschina. Es war kein Hund, wie man nach diesen Worten vielleicht meinen könnte – nein! es war ein Mann, aber ein Mann, der verdient hätte, ein Hund zu sein: er war bei Hadschinas Geburt schon im Hause Elisundo gewesen – er hatte Hadschina, seit sie auf der Welt war, nie verlassen – er hatte sie gewiegt als kleines Kind – er diente ihr, treu und ehrlich, seit sie als junges Mädchen in die Welt getreten war.
Der Mann war ein Grieche mit Namen Xaris, ein Milchbruder von Hadschinas Mutter und war ihr, als sie den Bankier von Korfu heiratete, dorthin gefolgt. Also war er schon über 20 Jahre in Elisundos Hause, wo er eine Stellung einnahm höher als die eines gewöhnlichen Dieners oder Angestellten, denn sobald es sich um leichtere Schreibarbeit handelte, half er auch Elisundo.
Xaris war, gleich gewissen typischen Erscheinungen Lakoniens, ein Mann von hoher Figur, breitschultrig, von außergewöhnlicher Muskelstärke. Er hatte ein hübsches Gesicht, ein Paar schöne Augen mit freiem, offenem Blick, eine lange, gebogene Nase, einen stattlichen schwarzen Schnurrbart. Auf dem Kopfe trug er die wollne Mütze von dunkler Farbe, um die Hüften die gefällige Fustanella seiner Heimat.
Wenn Hadschina Elisundo ausging, um Einkäufe zu machen, oder um sich zum Gottesdienste in die katholische Kirche "Zum heiligen Spiridion" zu begeben, oder um ein bißchen Seeluft zu schöpfen, die den Weg kaum bis in das Haus auf der Strada Reale fand, war Xaris immer Hadschinas Begleiter. Viel junge Korfioten hatten so Hadschina sehen können auf der Esplanade und auch in den Straßen der Vorstadt Kastrades, die sich längst der Bai dieses Namens hinzieht. Mehr denn einer hatte versucht, den Weg zu ihrem Vater zu finden. Wen hätte die Schönheit des jungen Mädchens nicht hinreißen, wen schließlich nicht auch die Millionen des Hauses Elisundo locken sollen? Aber gegen alle Anträge dieser Art hatte Hadschina sich ablehnend verhalten. Der Bankier selber hatte sich niemals eingemischt, um sie zu andern Entschlüssen zu bringen. Und doch hätte der brave Xaris alle Seligkeit, auf die ihm eine grenzenlose Hingabe und Treue ein Anrecht in der andern Welt gab, dafür hingegeben, wenn seine junge Herrin Glück und Seligkeit in dieser Welt gefunden hätte!
So also lagen die Dinge in diesem strengen, traurigen in einem Winkel der Hauptstadt von Alt-Korlyra gleichsam isoliert liegenden Hause; das war das Haus, in welches die Zufälligkeiten des Lebens Henry d'Albaret führen sollten.
Zuerst waren es Beziehungen geschäftlicher Natur, die sich zwischen dem Bankier und dem französischen Offizier anbahnten. Von Paris brachte derselbe Tratten über hohe Summen auf das Bankhaus Elisundo mit, die er in Korfu diskontierte. Von Korfu aus ließ er sich die Geldbeträge senden, die er während seines Aufenthaltes im philhellenischen Lager brauchte. Wiederholt kam er auf die Insel, und so konnte es nicht fehlen, daß er die Bekanntschaft von Hadschina Elisundo machte. Die Schönheit des jungen Mädchens hatte ihn überrascht. Die Erinnerung an sie folgte ihm auf die Schlachtfelder von Morea und Attika.
Nach dem Fall der Akropolis konnte
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