Der Archipel in Flammen
den Kampf zogen, denen Hadschina, ach! wie gern! gefolgt wäre, wäre sie Herrin ihres Willens gewesen.
Und eines Tages, als die Rede wieder kam auf diese Heldinnen Griechenlands, da nannte Henry d'Albaret neben anderen Namen auch den Namen Andronika Starkos ... und Elisundo, der bei diesem Gespräch zugegen war, machte eine Gebärde – eine Gebärde so lebhafter Natur, daß sie die Aufmerksamkeit der Tochter weckte.
"Was ist dir denn, Vater?" fragte sie.
"Nichts," versetzte der Bankier. Nach kurzer Pause richtete er aber, im Tone eines Menschen, der recht gleichgültig erscheinen will, die Frage an den jungen Offizier: "Sie haben die Frau gekannt, die Andronika?"
"Jawohl, Herr Elisundo."
"Und wissen Sie auch, was aus ihr geworden ist?"
"Nein, das weiß ich nicht," erwiderte Henry d'Albaret; "nach dem Treffen von Chaidari wird sie sich wohl nach dem Magnos zurückbegeben haben, wo sie ja zu Hause ist. Lange wird es wohl aber nicht dauern, bis ich sie auf den Schlachtfeldern Griechenlands wieder treffen werde."
"Gewiß!" setzte Hadschina hinzu, "und dort ist auch ihr Platz!"
Weshalb Elisundo diese Frage über Andronika Starkos gestellt hatte? niemand begehrte das von ihm zu wissen: er hätte doch sicher bloß ausweichende Antwort gegeben. Aber seiner Tochter, die über des Vaters Leben und Lebensbeziehungen nur schwach unterrichtet war, ließ die Sache keine Ruhe. War es wohl möglich, daß zwischen ihrem Vater und dieser von ihr bewunderten Heldin mit Namen Andronika irgend welches Verhältnis bestand?
Zudem war Elisundo in allem, was den Unabhängigkeitskampf der Griechen anbetraf, zurückhaltend, verschlossen. Nach welcher Seite hin er neigte, ob er den Bedrückern Glück und Erfolg wünschte oder den Bedrückten, wäre schwer gewesen zu sagen – soweit er überhaupt der Mann war, jemand was zu wünschen oder überhaupt was zu wünschen. Eins allerdings stand bei dem Manne außer Zweifel: daß ihm die Post aus der Türkei ganz ebenso viel Briefschaften brachte wie aus Griechenland. Aber wiederholt zu werden verdient hier, daß Elisundo dem Offizier darum, weil derselbe sich für die Hellenen begeistert hatte und für die Hellenen sein Leben in die Schanze schlug, in seinem Hause um keinen Deut weniger freundlich gegenüber trat, als wenn die Dinge umgekehrt gelegen hätten!
Mittlerweile konnte aber Henry d'Albaret seinen Aufenthalt in Korfu nicht länger hinausziehen. Seine Genesung hatte gute Fortschritte gemacht, er war wieder in den Vollbesitz seiner Kräfte gelangt und von dem entschiedenen Willen beseelt, das, was er als Pflicht betrachtete, zum vollen Ende zu führen. Er sprach oft mit dem jungen Mädchen darüber.
"Freilich ist es Ihre Pflicht!" gab ihm Hadschina zur Antwort; "und so großen Schmerz mir auch Ihre Abreise verursachen mag, Henry, so begreife ich doch, daß Sie zu Ihren Waffengefährten zurück müssen. So lange Griechenland nicht im Besitz seiner Freiheit ist, so lange wird es danach ringen müssen!"
"Ich gehe auf den Kriegsschauplatz, Hadschina! es muß sein!" sagte Henry eines Tages; "könnte ich aber die Gewißheit mit fortnehmen, daß Sie mich lieben, daß Sie meine Liebe erwidern ..."
"Henry, ich habe keinen Grund, die Empfindungen zu verheimlichen, die Sie mir einflößen," versetzte Hadschina; "ich bin kein Kind mehr und blicke der Zukunft mit dem schicklichen Ernste ins Auge. Ich glaube an Sie," setzte sie hinzu und reichte ihm die Hand – "glauben auch Sie an mich! Ganz wie Sie mich heute verlassen, so sollen Sie mich finden bei Ihrer Rücklehr!"
Henry d'Albaret hatte die Hand gedrückt, die ihm Hadschina als Pfand ihrer Empfindungen reichte.
"Ich danke dir von ganzem Herzen," antwortete er ihr; "ja! wir gehören einander ... schon heute! und mag auch unser Abschied darum schmerzlicher sein, so werde ich wenigstens jene Zuversicht mit mir nehmen, daß mir deine Liebe gehört! Aber bevor ich dich verlasse, Hadschina, will ich mit deinem Vater reden ... will auch die weitere Gewißheit mit mir nehmen, daß er unsere Liebe gutheißt, daß uns von seiner Seite nichts in den Weg gelegt wird!"
"Das wird nur klug sein, Henry," erwiderte das junge Mädchen; "hole dir sein Jawort, wie du das meinige besitzest!"
Henry d'Albaret durfte mit der Ausführung dieser Absicht nicht säumen, denn sein Entschluß, wieder in das Korps des Obersten Fabvier zu treten, stand fest.
Die Dinge hatten sich inzwischen für die Griechen immer ungünstiger gestaltet; die Londoner Konvention
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