Der Archipel in Flammen
Belagerten die Türken zurück. Aber Fabvier ist verwundet, sein Major fällt, von einer Kugel getroffen, und auch Henry d'Albaret sinkt. Die Regulären mit ihren Offizieren sind nun in der Feste eingeschlossen zusammen mit den Belagerten, denen sie mit solchem Todesmute Hilfe gebracht haben und die sie nun nicht wieder ziehen lassen wollen.
In der Feste muß nun der junge Offizier, dessen Blessur zum Glück nicht schwerer Natur ist, alle Not mit den Belagerten teilen, die schließlich auf ein paar Rationen Gerste als einzige Nahrung angewiesen sind. Ein halbes Jahr verstreicht, ehe ihm durch die mit dem Türkengeneral Kiutaghi abgeschlossene Kapitulation die Freiheit zuteil wird. Erst am 5. Juni 1827 ist Oberst Fabvier mit seinen Freiwilligen und den Belagerten in der Lage, die Feste zu verlassen und sich auf Transportschiffe nach Salamis zu begeben.
Henry d'Albaret mochte, trotzdem er noch sehr schwach war, nicht länger in Athen verweilen und schiffte sich nach Korfu ein. Hier suchte er nun seit acht Wochen Erholung von seinen Strapazen und Genesung von seinen Leiden; hier harrte er der Stunde, da er seinen Posten in der vordersten Reihe wieder bekleiden könnte, als der Zufall seinem Leben, das bislang nur militärischen Pflichten geweiht war, ein neues Interesse verleihen sollte.
In Korfu, am äußersten Ende der Strada Reale, stand ein altes Haus von unscheinbarem Aussehen, halb im griechischen, halb im italienischen Stil gebaut. Dort wohnte ein Mann, der sich wenig sehen ließ, von dem aber viel gesprochen wurde, nämlich der Bankier Elisundo. Ob er ein Sechziger war oder ein Siebziger, hätte kaum jemand sagen können. Seit etwa 20 Jahren wohnte er in dem düstern Hause, aus dem er kaum je den Fuß setzte. Statt dessen aber fanden um so mehr Leute den Weg zu ihm, und zwar Leute aller Länder und aller Stände, und alles Leute, die ihn brauchten. Ganz ohne Frage wurden in diesem unscheinbaren, aber aufs beste renommierten Bankhause sehr bedeutende Geschäfte abgeschlossen. Elisundo galt zudem für einen schwerreichen Mann. Kein Haus auf den ionischen Inseln bis nach Zara und Ragusa in Dalmatien hin hätte mit dem Bankhause Elisundo in Korfu in Konkurrenz treten können. Eine Tratte vom Bankhause Elisundo war so gut wie bares Geld. Auf unsichre Geschäfte ließ Elisundo sich niemals ein, ja er galt sogar für übervorsichtig, um nicht zu sagen engherzig, in Geschäftssachen. Ohne vorzügliche Referenzen und goldsichre Bürgschaften lehnte er allen Verkehr ab; dagegen schien seine Kasse, sobald diese Bedingungen erfüllt waren, unerschöpflich zu sein. Fast all seine Geschäfte besorgte Elisundo selbst; es war nur ein einziger Mensch in seinem Hause, von welchem später die Rede sein wird, dem die unwichtigeren Kontorarbeiten oblagen. Elisundo war sowohl sein eigener Kassierer als sein eigener Buchhalter. Keine Tratte ging anders aus dem Hause als durch seine Hände, kein Brief ging aus dem Hause, der nicht von ihm geschrieben war. Nie hatte im Kontor von Elisundo ein fremder Kommis gesessen: ein Umstand, der nicht wenig dazu beitrug, dem Bankhause einen besonderen Charakter, den von ihm geschlossenen Geschäften ein strenges Geheimnis zu wahren.
Woher der Bankier gebürtig war? Aus Illyrien oder Dalmatien, hieß es. Aber Genaues in dieser Hinsicht wußte niemand. Stumm wie das Grab über seine Vergangenheit, noch stummer als das Grab über alles, was sein gegenwärtiges Leben anbetraf, mied er allen Umgang mit der Gesellschaft Korfus. Als die Inselgruppe unter Frankreichs Protektorat gestellt wurde, war seine Existenz bereits ganz dieselbe wie zu der spätern Zeit, als ein britischer Gouverneur auf den Inseln amtierte. Höchst wahrscheinlich war nicht alles buchstäblich zu nehmen, was über das Vermögen des Mannes, das die Leute nach Hunderten von Millionen schätzten, gesprochen wurde. Aber reich, sehr reich mußte Elisundo sein, wenn er auch höchst bescheiden lebte und kaum Bedürfnisse zu haben schien. Elisundo war Witwer und zwar schon, als er sich in Korfu mit einem damals zweijährigen Töchterchen niederließ. Jetzt war dies Töchterchen, das den Namen Hadschina führte, 22 Jahre alt und führte dem Vater das Haus.
Ueberall, auch in jenen Ländern des Orients, die durch Frauenschönheit berühmt sind, würde Hadschina Elisundo als ein Weib von wunderbarer Schönheit gegolten haben, und zwar trotz dem etwas ernsten Ausdruck ihrer Züge. Wie hätte dieser Ausdruck aber anders sein sollen in dieser
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