Der Archipel in Flammen
gewann, daß der Vorfall vom gestrigen Abend den Verlauf der Angelegenheit nicht hindern würde. Höchstens verschleppen, sonst aber nichts weiter!
Wie lange die Angelegenheit verschleppt werden könnte, das allein war die Frage, die Skopelo und auch Nikolas Starkos beschäftigte, obwohl der letztere auch solche Möglichkeit nicht recht zugeben mochte. Am andern Tage versäumte er nicht, dem Begräbnis des reichen Bankiers beizuwohnen, das in sehr einfacher Weise stattfand und dem nur eine geringe Anzahl Leidtragender beiwohnte. Bei diesem Anlaß war er mit Henry d'Albaret zusammengetroffen, aber nur einige Blicke waren zwischen ihnen gewechselt worden – nichts weiter!
Während der ersten fünf Tage nach Elisundos Tode versuchte der Kapitän der "Karysta" umsonst, bis zu dem jungen Mädchen zu dringen. Die Kontortür blieb für jedermann geschlossen. Es schien, als sei das Bankhaus zusammen mit dem Bankier verschieden.
Uebrigens war Henry d'Albaret nicht glücklicher als Nikolas Starkos. Er konnte sich weder persönlich noch schriftlich mit Hadschina in Verbindung setzen; und schon stellte er sich die Frage, ob das junge Mädchen nicht etwa schon unter Xaris Schutze, der sich auch kein einzigesmal sehen ließ, Korfu verlassen habe.
Weit entfernt, seine Pläne fallen zu lassen, gefiel es dem Kapitän der "Karysta", sich in den Gedanken zu wiegen, daß ihre Verwirklichung sich eben nur verschleppe. Zufolge seiner Reden, zufolge Skopelos Maßnahmen, zufolge der Gerüchte, die dieser absichtlich verstreute, war die Heirat zwischen Nikolas Starkos und Hadschina Elisundo für niemand Gegenstand des Zweifels. Es mußte bloß solange gewartet werden, bis die Trauerzeit vorbei sei, vielleicht auch noch, bis die finanzielle Lage der Firma völlig ins Reine gebracht sei.
Daß das von dem Bankier hinterlassene Vermögen sich auf eine ungeheure Ziffer belief, war in ganz Korfu bekannt. Natürlich stieg es durch die Klatschbasen im Viertel und durch die Gerüchte in der Stadt schnell um das fünffache. Ja wirklich! es wurde behauptet, Elisundo hinterlasse nicht weniger als hundert Millionen. War das eine reiche Erbin, diese junge schöne Hadschina! und war das ein glücklicher Mann, dieser Nikolas Starkos, dem ihre Hand versprochen war! In ganz Korfu wurde von nichts anderm mehr gesprochen, und in seinen beiden Vorstädten bis hinaus in die fernsten Dörfer der Insel nicht minder! Sicher traf es ja zu, daß Elisundo ein ungeheures Vermögen hinterließ, nahezu zwanzig Millionen, und zwar, wie Nikolas Starkos und Skopelo in ihrer letzten Unterredung ganz richtig gesagt hatten, in sichern, leicht realisierbaren Wertpapieren, nicht in Liegenschaften.
Das stellte während der ersten Tage nach des Bankiers Ableben Hadschina Elisundo fest; das stellte im Verein mit ihr Xaris fest. Aber was ihnen auch nicht verschlossen blieb, das war der Ursprung dieses Riesenvermögens, das waren die Quellen, aus denen es geflossen war. Xaris besaß in der Tat von Bankgeschäften Uebung genug, um sich über die Vergangenheit des Bank-Kontors Elisundo ein genaues Bild zu machen, sobald er die Handelsbücher und Papiere zur Verfügung hatte. Zweifelsohne mochte es Elisundos Absicht gewesen sein, sie später zu vernichten, aber der Tod hatte ihn überrascht. Bücher und Papiere waren da. Bücher und Papiere sprachen Bücher für sich.
Jetzt wußten Hadschina und Xaris nur zu genau, woher diese Millionen geflossen waren! auf wieviel schmählichen Geschäften, auf wieviel Jammer und Elend all dieser Reichtum beruhte, brauchte ihnen nun niemand mehr zu sagen. Zufolgedessen also hielt Nikolas Starkos den Bankier in seiner Gewalt! Der Bankier war des Kapitäns Helfershelfer! mit einem einzigen Worte konnte er ihn ehrlos machen! Zog er es dann vor zu verschwinden, so wäre es niemand möglich gewesen, seine Spuren wieder aufzufinden! und das Stillschweigen dieses Menschen hatte der Vater dadurch erkaufen müssen, daß er ihm die Tochter zur Ehe versprach!
"Der Schurke! ... der Schurke!" rief Xaris.
"Schweig!" verwies ihm Hadschina die Rede.
Und Xaris schwieg, denn er fühlte recht gut, daß seine Worte über Nikolas Starkos hinaus nicht reichen würden.
Indessen mußte die Situation über kurz oder lang ihre Lösung finden. Zudem war ja Hadschina Elisundo selber unendlich viel daran gelegen, im Interesse aller, daß diese Lösung schnell erfolgte.
Am sechsten Tage nach Elisundos Tode, gegen 7 Uhr abends, war Nikolas Starkos ersucht worden, sich
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