Der Archipel in Flammen
wenn sie ihr Tempo nach dem der Korvette einrichtete.
"Hätt' uns der Satan von Brigg im Schlepptau," hieß es auf dem Vorderschiff, "so wär' die Geschichte um kein Haar anders!"
Ein wahres Wort – ohne Widerrede!
Da bog die Brigg, die in den Kanal zwischen der Insel Kufonisi und dem Festlande eingefahren war, um die Spitze von Kakialithi, um an der östlichen Küste von Kreta herauszufahren.
Wollte sie Zuflucht in einem Hafen suchen? oder in der Tiefe eines der schmalen Kanäle der Küste verschwinden?
Keins von beiden!
Um 7 Uhr morgens herum schwenkte die Brigg in nordöstlicher Richtung ab und segelte frank und frei ins offene Meer hinaus.
"Sollte sie nach Scarpanto steuern?" fragte sich, nicht ohne Verwunderung, Henry d'Albaret ... und unter einer Brise, die steifer und steifer wurde, setzte er, unter Gefahr, einen Teil seines Mastwerkes glatt am Deck zu brechen, diese Jagd ohne Ende fort, deren Aufgabe ihm das Interesse seiner Mission nicht minder als die Ehre seines Schiffs verbot.
Dort, in jenem nach allen Windrichtungen offen liegenden Teile des Archipels, mitten in dem großen, nicht mehr von den hohen Bergen Kretas beengten Meere schien es im Anfang, als wenn die "Syphanta" der Brigg wieder Vorsprung abgewinnen wollte. Gegen 1 Uhr nachmittags war die Entfernung zwischen den beiden Schiffen auf drei Meilen verringert. Noch ein paar Kugeln wurden zur "Karysta" hinüber gejagt; sie konnten aber nicht bis zum Ziele gelangen und bewirkten in der Fahrt der Brigg keine Veränderung.
Schon erschienen die Gipfel von Scarpanto hinter dem Eilande Caso, das an der Spitze der Insel hängt wie Sizilien an der von Italien, am Horizont.
Der Kommandant d'Albaret konnte nun, und seine Offiziere und Mannschaft mit ihm, hoffen, daß sie endlich mit diesem geheimnisvollen Schiffe, das unhöflich genug war, weder auf Signale noch auf Kanonenschläge zu antworten, Bekanntschaft machen würden.
Aber gegen 5 Uhr, als die Brise wieder abgeflaut hatte, gewann die Brigg wieder Vorsprung.
"Ha! der Schweinekerl! ... dem steht der Satan in Person bei! ... der Hund entwischt uns noch!" schrie Kapitän Todros.
Alles, was ein erfahrener Seemann zu tun vermag, um die Fahrgeschwindigkeit seines Schiffes zu erhöhen, geschah nun auf der Korvette: die Segel wurden mit Wasser begossen, um das Gewebe zu steifen, die Hängematten wurden gespannt, um dem Winde noch etwas Fläche zu schaffen, kurz: nichts unversucht gelassen – auch nicht ohne allen Erfolg, denn gegen 7 Uhr, kurz nach Sonnenuntergang, trennten höchstens zwei Meilen noch die beiden Schiffe.
Aber unter diesem Breitengrade bricht die Nacht schnell herein. Die Dämmerung ist von kurzer Dauer. Wollte die Korvette die Brigg noch vor Nacht erreichen, so mußte sie ihre Geschwindigkeit noch immer verstärken.
Da fuhr die Brigg zwischen die Eilande Caso-Pulo und die Insel Casos ein. Bei der Biegung, die diese letztere macht, im Grunde der schmalen Enge, die sie von Scarpanto trennt, fing sie an, außer Sicht zu kommen.
Eine halbe Stunde hinter ihr her kam die "Syphanta" an dieselbe Enge, immer weit genug vom Strande ab, um guten Segelwind zu behalten. Noch war es hell genug, um ein Schiff von solcher Größe auf mehrere Meilen im Umkreise zu erkennen.
Aber – die Brigg war verschwunden.
Zwölftes Kapitel.
Auktion in Scarpanto.
Wenn Kreta, wie die Fabel erzählte, die Wiege der Götter war, so war das Karpathos des Altertums, das heutige Scarpanto, die Wiege der Titanen, der kühnsten unter ihren Widersachern. Die Seeräuber der Neuzeit, insofern als sie nur einfachen Sterblichen zu Leibe gehen, dürfen ganz sicher als die würdigen Abkömmlinge dieser mythologischen Missetäter gelten, die vor dem Sturm auf den Olymp nicht zurückscheuten. Zur Zeit unserer Erzählung hatte es nun ganz den Anschein, als ob der Abschaum der gesamten Welt sein Hauptquartier auf dieser Insel aufgeschlagen hätte, auf der die vier Söhne des Japetos, die Enkel Titans und der Erde, das Licht der Welt erblickten.
Wahrlich! Scarpanto war auch der richtige Schlupfwinkel des Archipels für Korsarengesindel. Ziemlich isoliert am südöstlichen Ende dieser Meere und über 40 Meilen von der Insel Rhodus gelegen, sind seine hohen Berggipfel schon von weitem sichtbar. Bei einem Durchmesser von 20 Meilen ist die Insel zerstückelt, ausgefranst, ausgebuchtet in viele Zacken, die durch unendlich viele Klippen beschützt werden. Hat, wie es der Fall ist, die Insel ihren Namen den sie umgebenden
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