Der Archipel in Flammen
Gewässern geliehen, so ist der Grund hierfür in dem Respekt zu suchen, in den sie sich bei den Alten schon ebenso gut zu setzen gewußt hat wie bei den Neuen. Wer nicht im Karpathischen Meere zu Hause und alt geworden ist, für den ist es noch immer ein gefährliches Ding, sich hinauf zu wagen. Und wie heute, war es genau im Altertum.
Indessen fehlt es der Insel, welche die letzte Perle in dem großen Rosenkranze der Sporaden bildet, keineswegs an guten Ankerplätzen. Vom Kap Pernisa bis zum Kap Bonandra und zum Kap Andemo auf ihrer Nordküste lassen sich zahlreiche Zufluchtsplätze finden. Die 4 Häfen Agata, Porto di Tristano, Porto Grato und Porto Malo Nato wurden ehedem stark von Levantefahrern angesprochen, bevor ihnen Rhodus ihre kommerzielle Bedeutung nahm. Jetzt haben nur sehr wenige Schiffe noch Interesse, hier vor Anker zu gehen.
Scarpanto ist eine griechische Insel oder wird wenigstens von einer griechischen Bevölkerung bewohnt, gehört aber zum ottomanischen Reiche. Auch als das Königreich Griechenland endgültig errichtet worden war, verblieb sie im Besitze der Türken unter der Verwaltung eines einfachen Kadi, der damals eine Art Feste bewohnte, die oberhalb der neuen Burg von Arlassa liegt.
Zur Zeit unserer Erzählung würde der Leser hier eine große Zahl von Türken angetroffen haben, die bei den Inselbewohnern, die sich am Unabhängigkeitskriege nicht beteiligt hatten, eine, wie man sagen muß, durchaus nicht schlechte Aufnahme fanden. Allmählich zum Mittelpunkte von Handelsgeschäften geworden, wie sie verbrecherischer nicht mehr zu denken sind, waren auf Scarpanto Schiffe ottomanischer Herkunft ganz ebenso willkommen wie Korsarenschiffe, die ihre Gefangenenfrachten hier ausluden. In Scarpanto fanden sich die Mäkler von Kleinasien ebenso ein wie diejenigen aus den Barbareskenstaaten, um sich auf einem bedeutenden Jahrmarkte, zu dem Menschenware angefahren wurde, einander zu überbieten. Hier wurden Auktionen abgehalten, hier wurden die Preise für Angebot und Nachfrage festgesetzt. Der Kadi war, wie gesagt werden muß, hierbei gewiß nicht mindestbeteiligte Person, denn er fungierte als Auktionator und die Händler hätten es als einen Verstoß gegen kaufmännische Pflicht angesehen, wenn sie ihm nicht einen gewissen Satz vom Hundert ihrer Ware abgegeben hätten.
Der Transport dieser Unglücklichen nach den Bazaren von Smyrna oder Afrika wurde auf Schiffen bewirkt, die in der Regel in dem an der Westküste gelegenen Hafen von Arkassa ihre Fracht einnahmen. Reichten die Schiffe nicht aus, so wurde Ersatz von der gegenüberliegenden Küste herangeholt, und die Korsaren weigerten sich niemals, sich zu diesem erbärmlichen Geschäft herzugeben.
Als die "Syphanta" vor Scarpanto sich einfand, lagen im Osten der Insel, in den Tiefen fast unauffindbarer Wasserläufe, an zwei Dutzend größerer und kleinerer Fahrzeuge, mit einer Besatzung von 12–1300 Mann. Diese Flottille wartete bloß auf ihren Anführer, um auf neue Verbrechensfahrten auszuziehen.
Am 2. September abends ging die "Syphanta" eine Kabellänge von der Mole, auf trefflichem Untergrunde von 10 Faden Tiefe, im Hafen von Arkassa vor Anker. Henry d'Albaret war, als er den Fuß auf die Insel setzte, kaum einen Moment im Zweifel, daß ihn der Zufall direkt zum Hauptmarktplatze für den Sklavenhandel geführt hatte.
"Meinen Sie eine Zeitlang in Arkassa vor Anker zu bleiben, Kommandant?" fragte Kapitän Todros, als das Schiff festlag.
"Kann es noch nicht sagen," erwiderte d'Albaret; "es können Umstände eintreten, die uns zu sofortiger Abfahrt zwingen, aber auch andere, die uns zum Bleiben bestimmen können."
"Wird die Mannschaft ans Land gehen?"
"Ja, aber bloß rondenweis; die halbe Mannschaft soll immer an Bord konsigniert bleiben."
"Zu Befehl, Kommandant!" versetzte Todros; "wir stecken hier mehr in türkischem als in griechischem Lande, und die Klugheit gebietet, die Augen scharf offen zu halten."
Der Leser wird sich besinnen, daß Henry d'Albaret weder mit seinem zweiten Offizier noch den übrigen Herren vom Stabe von den Beweggründen gesprochen hatte, die ihn nach Scarpanto führten, auch nicht von der Aufforderung, die in dem Brief ohne Unterschrift an ihn gerichtet worden war, sich zu Anfang September hier einzufinden. Uebrigens rechnete er darauf, daß ihm hier neue Mitteilungen darüber gemacht werden würden, was der geheimnisvolle Briefschreiber von der Anwesenheit der Korvette in den Gewässern des Karpathischen
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