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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die Schiffe uns die Gefangenen tausend- und nicht hundertweis herschafften!"
    "Ja! ... wie seinerzeit bei dem Gemetzel auf Scio!" erwiderte ein anderer; "mit einem Schlage weit über 40 000 Gefangene! Da gab's nicht Schiffe genug, die Last zu bezwingen!"
    "Gewiß, gewiß," rief ein dritter, der mit sehr gesundem Kaufmannsverstande ausgestattet zu sein schien; "aber zuviel Ware, zuviel Angebot und zuviel Preisdrückerei! Besser schon, es ist wenig Ware zu gutem Preise am Platze, denn die Nachfrage bleibt dann immer rege, und die paar Frachtgroschen mehr auf das einzelne Stück spielen keine Rolle!"
    "Jawohl! ... vor allem nicht in der Berberei! ... Aber die zwölf Prozent für den Pascha, Kadi oder Statthalter sprechen mit!"
    "Und die hundert Prozent für den Unterhalt der Mole und der Küstenbatterien!"
    "Und das eine Prozent, das aus unserer Tasche noch an die Priester fällt!"
    "Ja, diese Prozente über Prozente machen die Reederschaft pleite und uns Mäkler mit!"
    Solche Reden flogen zwischen diesen Agenten, die für die Schändlichkeit ihres Handels keine Spur von Verständnis hatten, hin und her. Immer die gleichen Klagen über die gleichen Fragen! und hätte ihren Reden nicht die Marktglocke ein Ende gemacht, so würden die Klagen zweifellos zu weit schärferem Ausdruck gelangt sein.
    Der Kadi leitete von einer Estrade aus, unter dem Schutz eines Zeltes, das von dem türkischen Halbmond überragt wurde, die Auktion, mit echt türkischer Ungeniertheit in halb liegender Stellung auf großen Polsterkissen.
    Neben ihm stand der Ausrufer, der aber keine Gelegenheit fand, sich die Lunge sonderlich anzustrengen. Nein! denn bei Geschäften dieser Art lassen sich im Orient die Käufer Zeit.
    Das erste Gebot wurde von einem Händler aus Smyrna mit tausend Pfund türkisch gemacht.
    "Tausend Pfund türkisch!" wiederholte der Ausrufer.
    Dann schloß er die Augen, als wenn ihm Muße genug zum Schlummern bleiben würde, bis ein neues Gebot erfolgte.
    Während der ersten Stunde ging das Gebot von tausend auf zweitausend Pfund türkisch herauf, nach französischem Gelde also auf annähernd 47 000 Francs. Die Mäkler sahen einander an, hielten einander im Auge, schwatzten untereinander von allerhand anderen Dingen. Was sie bieten wollten, wußten sie zum voraus. Ihr Höchstgebot würde erst wenige Minuten vor Auktionsschluß geschehen: darüber waren sich alle klar.
    Aber die Ankunft eines neuen Konkurrenten sollte diese Dispositionen über den Haufen rennen und Leben in die Auktion bringen.
    Gegen 4 Uhr waren nämlich auf dem Markte von Arkassa zwei Männer eingetroffen. Woher? sicher aus dem orientalischen Teile der Insel, nach der Richtung wenigstens zu schließen, aus welcher die Araba, die sie hergeführt hatte, kam.
    Ihr Erscheinen rief eine lebhafte Bewegung hervor. Erstaunen und Unruhe malte sich auf den Gesichtern. Eine Persönlichkeit auf dem Markte sozusagen "einspringen" zu sehen, mit der sie zu rechnen haben würden, darauf waren die Mäkler offenbar nicht gefaßt.
    "Bei Allah!" rief einer von ihnen: "das ist Nikolas Starkos in Person!"
    "Mit seinem vermaledeiten Hundsfott Skopelo!" setzte ein anderer hinzu; "und wir meinten, die beiden Kerle seien längst beim Teufel."
    In der Tat: es waren die beiden, die auf dem Markte von Arkassa jeder kannte. Schon mehr denn einmal hatten sie ungeheure Geschäfte gemacht beim Einkaufe von Gefangenen für Rechnung afrikanischer Händler. An Geld fehlte es ihnen nicht, wiewohl niemand recht wußte, woher sie es nahmen; aber das ging niemand als sie an. Der Kadi aber, von seinem Standpunkt als Geschäftsmann aus, konnte sich zur Ankunft dieser beiden gefürchteten Mitbieter nur gratulieren.
    Ein einziger Blick hatte für Skopelo, einen gewiegten Kenner, zur Schätzung des Wertes genügt, den die am Markte befindliche Ware besaß. Ein paar Worte, Nikolas Starkos ins Ohr geflüstert, waren alles, was er von sich gab. Nikolas Starkos antwortete durch ein bloßes Nicken.
    Ein so scharfer Beobachter aber der Leutnant der "Kalysta" war, so hatte er doch die Bewegung des Abscheus nicht gesehen, die durch die Ankunft des Kapitäns der "Karysta" bei einer der gefangenen Frauen hervorgerufen worden war.
    Es war eine alte Frau von hohem Wuchs. Sie saß abseits in einer Ecke des Batistan. Als wenn sie eine unwiderstehliche Gewalt triebe, erhob sie sich, machte ein paar Schritte ... es sah aus, als wollte sie aufschreien ... aber sie besaß Kraft genug, an sich zu halten. Dann wich sie langsam

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