Der Archipel in Flammen
Korsarenschiffen und Korsaren keine Spur vorhanden!
Ganz ebenso verhielt es sich auf Paros, das von Naxos bloß durch einen Kanal von 7 Meilen Breite geschieden wird. Nirgendswo, weder in Parkia, Naussa, Santa Maria, noch in Augula oder Diko war Nikolas Starkos angelaufen. Ganz entschieden hatte sich die Sakolewa, die der französische Konsul auf Syra vermutete, nach einem Küstenplatze von Kreta begeben.
Am 9. August ging die "Syphanta" im Hafen von Milo vor Anker. Bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts reich und gesegnet, seitdem durch vulkanische Erschütterungen in Armut gestürzt und verseucht durch schlimme Bodenausdünstung, war Milo ganz entschieden für räuberisches Gesindel kein verlockender Aufenthalt. Kein Wunder also, daß sich auch hier alle Nachforschungen umsonst erwiesen. Immerhin legte aber die gänzliche Abwesenheit in den Gewässern der Cykladen dieses dort sonst gewissermaßen zu den Stammgästen zählenden Korsarengesindels die Frage nahe, ob ihm die Heranfahrt der "Syphanta" nicht rechtzeitig signalisiert worden sei, daß es Zeit zur Flucht gefunden haben konnte. Im Norden des Archipels hatte ihnen ja die Korvette Schaden gerade genug zugefügt, daß die im Süden aufhältlichen ihr schließlich lieber ganz aus dem Wege gingen.
Darüber kam der 14. August heran. Bloß noch zwei Wochen blieben Frist für die Fahrt nach Scarpanto, wo die "Syphanta" in den ersten Septembertagen ankern sollte. Von der Cykladengruppe aus hatte sie in direkt südlicher Richtung nur noch 70–80 Meilen zu fahren. Dieser Meeresarm wird von der langen Küste von Kreta eingeschlossen. Schon zeigten sich über dem Horizont die höchsten, von ewigem Schnee bedeckten Bergspitzen der Insel.
Auf Kreta zu beschloß Kommandant d'Albaret seinen Kurs zu nehmen. In Sicht von Kreta gelangt, brauchte er bloß nach Osten zu drehen, um Scarpanto zu erreichen.
Am 15. August traten die Höhen dieser größten Insel des ganzen Archipels in malerischen Konturen auf klarem Horizont vom Kap Spada bis zum Kap Stavros scharf in Sicht. Noch verdeckte eine scharfe Ausbiegung der Küste die Bucht, in deren Hintergrunde sich Kandia, die Hauptstadt, erhebt.
"Sie denken, in einem der Inselhäfen vor Anker zu gehen, Kapitän?" fragte Kapitän Todros.
"Kreta ist noch immer in türkischen Händen," erwiderte Henry d'Albaret; "ich glaube, wir haben dort nicht recht was zu suchen. Nach den mir in Syra gewordenen Mitteilungen haben sich Mustafas Truppen jetzt auch Retimos bemächtigt, sind also jetzt, trotz der Tapferkeit der Sphakioten, Herren der ganzen Insel ... aber die nordwestliche Küste umschiffen wir, denke ich, und kreuzen ein paar Tage auf der Höhe von Grabusa."
Das war entschieden das richtigere; denn in den übelberufenen Gewässern von Grabusa konnte sich leicht für die "Syphanta", die nun schon vier Wochen lang keinen Schuß mehr getan, Gelegenheit finden zu Renkontres mit den gesuchten Korsaren: unmöglich war es sogar keineswegs, daß die Sakolewa, wenn sie nach Kreta gesegelt war, in Grabusa vor Anker lag.
Grabusa war zur Zeit, da diese Erzählung spielt, tatsächlich noch das richtige Korsarennest. Vor etwa 7 Monaten war es Maurocordato mit einem Korps regulärer Truppen gelungen, diesen gefährlichen Schlupfwinkel zu säubern, aber erst, als ihm eine englisch-französische Flotte zu Hilfe geeilt war. Da sich damals die kretensischen Behörden direkt geweigert hatten, etwa ein Dutzend Korsaren auszuliefern, und erst durch die Beschießung der Citadelle, durch Verbrennung mehrerer Schiffe und Landung eines Korps durch die Engländer hierzu gezwungen worden waren, lag die Vermutung nahe, daß die Korsaren, seit das verbündete Geschwader Kreta verlassen hatte, die gastfreundlichen Häfen dort nach wie vor aufsuchten. Darum entschloß sich Henry d'Albaret, Scarpanto auf dem Seewege an der Südküste von Kreta entlang, der an Grabusa vorbeiführte, zu gewinnen.
Das Wetter war günstig. Zudem herrscht unter diesem glücklichen Klima der Winter nur vier Wochen: im Dezember setzt er ein und ist im Januar schon zu Ende. Fürwahr! eine glückliche Insel, dies Kreta, die Heimat des Königs Minos und des Luftschiffers Dädalos! Sandte doch auch Hippokrates seine vielen Kranken zur Genesung nach den Gefilden von Kreta!
Sechs volle Tage suchte Kommandant d'Albaret die ganze Westküste zwischen Grabusa und Kisamo ab. Verschiedene Schiffe, Feluken oder Schebecken, sämtlich Kauffahrer, fuhren aus dem Hafen. Die "Syphanta" hielt mehrere
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