Der Architekt
Stunden später die Tür zu seiner Wohnung öffnete.
»In so einer Loft habe ich immer schon einmal leben wollen.« Sie drehte sich um ihre Achse.
Ben schloss die Tür. »Mir kommt es manchmal so vor, als wäre es gar nicht so schlecht, mehr als nur einen Raum zu haben.« Eigentlich hatte er sie in einem Café treffen wollen, aber Sophie hatte gemeint, sie würde am liebsten zu ihm nach Hause kommen.
»Machst du mir einen Kaffee?« Ihre Haare waren offen, umrahmten ihr Gesicht wie eine Mähne.
Ben nickte und ging in die Einbauküche.
»Ich hoffe, ich habe dich jetzt nicht zu sehr überfallen«, hörte er sie hinter sich sagen.
»Im Gegenteil, ich freu mich, dass du vorbeikommst.« Er angelte nach der Büchse mit dem Espressokaffee.
»Und? Wie geht’s voran?« Er drehte sich um. Sie stand hinter dem Sofa, das zur Küche hin ausgerichtet war, sah aber zu seinem Schreibtisch hinüber, der an der Wand stand. »Mit der Arbeit, meine ich.«
»Heute nicht so doll«, gab er zu.
»Wo bist du denn gerade?«
Ben runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht.«
»Du weißt nicht, wo du in dem Buch bist, das du schreibst?«
»Nein, ich schreibe nicht unbedingt das Buch von A bis Z durch, ich arbeite eher mal hier, mal dort, mal mehr am Anfang, dann wieder in der Mitte …«
Sie nickte, ohne etwas zu sagen.
»Müssen wir über das Buch sprechen?«
Die paar Worte allein hatten den Kopfschmerz wieder verstärkt, der ihn schon den ganzen Morgen über plagte. Und er hatte auch eine Ahnung, woran das lag. Seitdem Götz ihm eröffnet hatte, dass er gelogen hatte, war es Ben nicht mehr gelungen, etwas zu schreiben. Sollte er Götz wirklich ins Gesicht sagen, dass er ihn als Unschuldigen darstellen würde – und hinter seinem Rücken, im Text, das genaue Gegenteil behaupten?
»Reden wir lieber von dir«, schlug er vor. »Wie läuft es bei Götz Town Structures? Kommt ihr mit euren Projekten voran?«
»Na ja«, sie ging um das Sofa herum und setzte sich. »Julian kann die Geschäfte nur sehr bedingt von der U-Haft aus leiten. Da sind ein paar Sachen natürlich ins Stocken geraten.«
Ben schraubte die Kaffeemaschine zu und stellte sie auf den Gasherd. Ein Bild von Lillian, nackt auf dem weißen Laken des Hotels, blitzte vor ihm auf.
»Hast du eigentlich eine Freundin?«
Ben warf Sophie einen Blick zu. Sie feixte ihn an.
»Geht dich das was an?«, schoss er zurück.
»Oh«, übertrieben entschuldigend hob sie beide Hände und wackelte mit den Hüften. »Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«
Er fuhr sich durch die Haare. »Nein, schon gut. Ich bin irgendwie noch ein bisschen neben der Spur.« Er hockte sich auf den Sessel, der dem Sofa gegenüberstand. »Im Moment bin ich, wie heißt es so schön, single. Und du?« Jetzt war er es, der grinste.
»Single.« Sie schlug die Beine übereinander und nahm die Haare hinter dem Kopf zusammen, blieb mit aufgerichteten Armen und den Händen hinter dem Kopf sitzen.
»Wieso das?«, hakte er nach.
»Ich bin gern unabhängig«, sagte sie. »Aber …«
»Aber?«
»Aber das heißt ja nichts, wollte ich fast schon sagen, habe es mir dann aber doch anders überlegt«, entgegnete sie lachend und ließ die Haare fallen.
Warum bist du hier?, dachte Ben.
Er stand auf und ging wieder zum Herd, wo die Kaffeemaschine zu gurgeln angefangen hatte.
»Du musst versuchen, sie zu verstehen«, hörte er Sophie hinter sich sagen, »meine Eltern, meinen Bruder, meine Familie. Sie sind nach dem, was passiert ist, natürlich noch ganz aufgewühlt. Und ich glaube nicht, dass sich das so bald ändern wird.«
»Ja, ist doch klar.« Er sah zu ihr hin. Sie war wieder ernst geworden. »Ich mach ihnen doch keinen Vorwurf.« Ben nahm die Kaffeemaschine vom Herd und trug sie zusammen mit zwei Tassen, Milch und Zucker auf einem Tablett zum Sofa zurück.
»Ich will auch noch mal mit Sebastian reden.« Sophie sah ihm aufmerksam beim Einschenken zu. »Das geht einfach nicht, dass ich jemanden einlade und er sich benimmt, als wäre er bei sich zu Hause.«
»Hmm.« Ben hantierte mit dem Kaffeegeschirr.
»Was ist?« Sophie schaute ihn aufmerksam an.
»Nichts …« Er ließ sich in den Sessel fallen. »Ich habe nicht besonders gut geschlafen. Sonst nichts.« Er lächelte, aber es schmerzte fast.
»Am liebsten würde ich es nicht sagen müssen«, begann Sophie, »aber nachher ärgere ich mich sonst vielleicht.«
»Nun spuck es schon aus.« Er nickte freundlich, wirklich neugierig jetzt. »Was bringt dich
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