Der Architekt
so? Was soll das heißen?
»Ich habe ihr gesagt, um was es geht. Sie hat sich bisher nicht festgelegt. Ich werde sie noch einmal treffen«, führte Ben aus.
Seewald nickte nachdenklich.
»Die Sache ist heikel, das weiß Herr Götz ja sehr genau«, sagte Ben. »Ich denke, es wäre ein Fehler, Frau Behringer unter Druck zu setzen. Wenn sie blockt, kommen wir nicht weiter. Sie muss selbst davon überzeugt sein, dass es das Richtige ist, für Herrn Götz auszusagen.«
Seewald stülpte die Lippen nach außen, während er Ben zuhörte.
»Noch was?« Ben musterte ihn.
»Haben Sie eine Vorstellung, wann Sie sie noch mal sprechen werden?«
Ben schüttelte den Kopf.
Seewald hob kurz die Arme. »Gut, ich werde es Herrn Götz ausrichten.« Er wandte sich zum Gehen.
Zurück am Computer, war die Konzentration, aus der Seewald ihn herausgerissen hatte, nicht wiederherzustellen. Lustlos klickte sich Ben im Internet durch die Sites. Es gab ein paar Artikel zum Fall Götz, aber nichts, was ihn irgendwie weitergebracht hätte. Ihm fiel auf, dass am Vortag eine Mail eingetroffen war, die er noch nicht gelesen hatte, weil er zu sehr mit seinem Text beschäftigt gewesen war. Eine Nachricht vom Verlag, den er für das geplante Buch inzwischen hatte gewinnen können. Der angepeilte Veröffentlichungstermin sollte vorverlegt werden. Noch vor Weihnachten dieses Jahres. Ob das zu schaffen wäre.
›Sie sind richtig heiß auf das Buch.‹
Ben klickte sich auf die Webseite seiner Bank, gab seine Geheimnummer ein, sah sich die Kontostände an. Auch wenn er alle Ausgaben drosselte, würde das Geld, das er noch zur Verfügung hatte, höchstens für ein Jahr reichen. Wenn das Buch kein Geld abwarf, sah es schlecht aus. Den Drehbuchauftrag hatte er längst endgültig abgesagt.
Das Klingeln des Handys riss ihn aus seinen Überlegungen.
»Kommst du zu mir?« Ihre Stimme wirkte wie eine Dosis von dem, wonach er süchtig war.
46
Das Wohnzimmer war geräumig und weiß getüncht. Goldgelbes Parkett auf dem Boden, Stuck an der Decke. Durch die Fenster sah man im Abendlicht die Stuckfassaden der Schöneberger Altbauten auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
»Ich habe dir ein Bier mitgebracht.«
Lillian stellte die Flasche auf den Esstisch, eine Mineralwasserflasche und zwei Gläser daneben. Ben setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl.
»Ich habe nachgedacht über das, was du gesagt hast«, sagte sie, und ihm fiel auf, dass sie sorgfältig darauf bedacht war, jede Erinnerung an das, was in dem Hotelzimmer vorgefallen war, zu unterdrücken.
»Und?«
»Es ist wahr, Götz war bei mir an dem Abend. Ich werde aussagen.« Ihre grünen Augen ruhten auf ihm.
»Okay?« Er hob die Stimme am Ende, wie um anzudeuten, dass sie das ruhig ein wenig erklären könnte.
»Du kannst ihm Bescheid geben. Er soll seinen Anwalt vorbeischicken, dann besprechen wir die Einzelheiten.«
Das heißt … Nur langsam sickerte in Ben die Erkenntnis durch, dass er damit eigentlich schon wieder entlassen war. Seine Hand schloss sich ein wenig fester um die Bierflasche. Plötzlich bemerkte er wieder, dass er vorhin nur kurz geschlafen hatte. Dass die Schwäche und das Unwohlsein, die ihn schon den ganzen Tag über gequält hatten, noch immer in ihm steckten. Er rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn. ›Ich will aber noch nicht gehen.‹
Sie trank von ihrem Wasser.
»Lillian, ich … gestern«, fing er an, aber sie ließ ihn nicht ausreden.
»Es war ein Fehler, Ben. Ich war verwirrt. Wegen Julian.«
Er schob seine Arme über den Tisch zu ihr. »Es war kein Fehler, ich kann an nichts anderes mehr denken.«
Es knallte. Ben zuckte heftig zusammen. Versehentlich hatte er mit dem rechten Arm die Bierflasche vom Tisch geschoben.
»Ah, nee!« Er stand auf.
»Lass nur, lass es einfach!« Ärger schwang in ihrer Stimme mit. Sie ging zur Tür. Bens Blick saugte sich förmlich an ihren Hüften fest. Er sah, wie sich ihr schmaler Körper beim Gehen wiegte. War es ein Spaltbreit ihrer Haut, der zwischen Pullover und Hosenbund aufblitzte? Schon war sie aus dem Zimmer.
Die Gedanken jagten durch seinen Kopf. Er spürte, dass er dabei war, die Kontrolle über sich zu verlieren. ›Ich kann sie bezahlen.‹ Er griff in seine Tasche, holte die Scheine hervor, die er auf dem Weg zu ihr aus einem Automaten gezogen hatte. Vierhundert. Legte sie auf den Tisch.
Als sie mit einem Lappen zurück ins Zimmer kam, stand er so vor dem Tisch, dass sie das Geld nicht
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