Der arme Drache (German Edition)
dass das kleine Stück Land auf dem
Hügelkamm der Jahreszeit völlig ungemäß blühte
und florierte, machte ihn nachdenklich. Eigentlich hatte er eher ein
trostloses Feld aus kahlen Steinen erwartet, wo Krankheiten
verbreitende Winde Schwärme von Ascheflocken vor sich her
trieben. Er vermisste die bedrohliche Stimmung in dieser Gegend.
Sollte
es sein wie es wollte, er würde sich durch diese Illusion des
Friedens und der Harmlosigkeit nicht täuschen lassen. In seinen
Augen machte all dies den Drachen nur noch gefährlicher, denn er
musste starke Zauberkraft beherrschen, wenn er den Geist eines Mannes
so verwirren konnte. Natürlich würde das den Bann erklären,
den er über die Prinzessin gelegt haben sollte.
Es
wurde früh dunkel, und die Sonne war dabei sich zu
verabschieden. Ihre letzten Strahlen beschienen schwach seine
Rüstung. Im weit geöffneten Rachen der Höhle war es
dunkel und Gustav beschloss, sich langsam heranzutasten und einen
prüfenden Blick hinein zu werfen.
Vorsichtig
näherte er sich der Öffnung. Er achtete darauf, dass seine
Rüstung nicht allzu sehr schepperte, denn das konnte den Drachen
anlocken. Er hatte zwar keine Angst vor Drachen, doch er wollte auch
kein unnötiges Risiko eingehen, denn mit den geschuppten
Lindwürmern war meist nicht zu spaßen; eine üble
Narbe an seinem Hintern erinnerte ihn immer an diesen Grundsatz.
Gustav
konnte das Atmen des Drachen hören und er schien zu schlafen.
Erkennen konnte er allerdings nichts, dafür war es in der Höhle
zu finster.
Er
nahm einen tiefen Atemzug und schwang sein Schwert einmal durch die
Luft, dass es nur so zischte. Dann rief er in die Höhle:
„ Komm
raus, du elendes Ungeheuer! Ich, Gustav, der größte aller
Helden, fordere dich zum Kampf. Du wirst die Prinzessin freigeben,
die du mit deinen schmutzigen Klauen entführt hast!“
Seine
Stimme hallte dröhnend durch die Höhle und weckte Oliver,
der gerade zu später Mittagsruhe eingeschlafen war. Der Drache
blinzelte träge und glaubte im ersten Moment, dass ihm träumte.
Doch als der Ruf ein zweites Mal erscholl, gab es keinen Zweifel
mehr. Marie hatte prophezeit, dass es Ärger geben würde,
und so wie es aussah, stand er sogar in diesem Augenblick schon vor
seiner Türschwelle.
Olivers
Klauen waren alles andere als schmutzig und solche Beleidigungen
machten den kleinen Drachen sauer. Er blinzelte noch einmal und schob
seinen Körper Richtung Eingang, sorgsam darauf achtend, dass er
Marie nicht weckte, die mit ihm eingeschlafen war.
Nicht
schon wieder so ein Kerl, dachte er. Er dachte, er hätte diese
Tage voller Demütigungen mit dem Verlust seiner Schätze
endlich hinter sich gebracht, aber so fand er sich auf ein Neues in
seiner Behausung gefangen, während ein streitlustiger Abenteurer
vor deren Eingang wartete. Sein übereiltes Vorgehen den Beamten
gegenüber kam ihm wieder in den Sinn, doch nun war es zu spät
um zu bereuen.
Oliver
fürchtete sich sehr, dennoch konnte er der Konfrontation nicht
ausweichen.
Die
Stimme da draußen klang angsteinflößend und sie
stach in sein Herz wie ein eiskaltes Messer.
Nicht
schon wieder.
7.
In
den Kampf!
Gustav
sah, wie der Drache aus der Höhle kam und wich einen Schritt
zurück.
Nur
zur Sicherheit.
Der
Drache war kleiner als alle Drachen, die er bisher gesehen hatte, und
jeglicher Respekt fiel von ihm ab. Was ihm an Gefährlichkeit
fehlte, schien er in Form von Anmut von seinem Schöpfer bekommen
zu haben. Es war in der Tat ein sehr schönes Exemplar. Aber das
würde ihm in einem Kampf Mensch gegen Monster natürlich
nichts nützen. Nicht einmal drei Meter.
Mit
diesem Untier werde ich spielend fertig , dachte er und grinste
überheblich. Schon konnte er die Prinzessin vor sich auf seinem
Ross sitzen sehen, wie eine edle Trophäe, die sein gesamtes
Leben ändern würde.
„ Was
willst du?“ fragte Oliver und versuchte, wenigstens seine
Stimme gefährlich klingen zu lassen, was ihm aber leider
gründlich misslang. Er war sich seines Auftretens leider nur zu
gut bewusst. Der Ritter dagegen sah in seinen Augen äußerst
bedrohlich und entschlossen aus. „Ich habe kein Gold und für
dich gibt es hier nichts zu holen!“
„ Doch“,
entgegnete Gustav und sah dem Drachen in die Augen. Etwa eine
Viertelstunde bevor die Zeit einer langen Winternacht anbrechen
würde, standen sie sich in einer kalten Brise gegenüber,
die Gustavs teilweise graues Haar wehen ließ. „Ich will
die Prinzessin! Gib sie frei und ich lasse
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