Der arme Drache (German Edition)
zu
träumen, denn er sah keine Möglichkeit, sein besonderes
Problem zu überwinden. Niemand lachte ihn dafür aus, oder
dachte auch nur geringer von ihm, aber dennoch war es schlimm genug.
Das Problem gehörte ihm allein, zum Guten und zum Schlechten.
Die
junge Frau mit dem umgestürzten Fuhrwerk sprach ihn an. Gustav
sah, dass ein Rad gebrochen war. Vorher mussten die Zügel
gerissen und das Zugtier ausgebüchst sein.
"Herr,
guter Herr, helft einer Maid in Not", greinte die arme Frau.
Gustav
wich ihrem Blick aus. Er nickte stumm und begann dann wortlos das Rad
zu wechseln. Die Dame beobachtete ihn dabei, sichtlich erleichtert,
dass man sie in ihrer misslichen Lage nicht alleine ließ.
"Ach,
ich hätte schon damit gerechnet, dass ich hier nie wieder
wegkomme", fing sie an zu plappern, während Gustav
arbeitete. "Wisst Ihr, ich muss die ganzen Stoffe noch heute zu
meinem Vetter bringen, sonst kann er seinen Auftrag nicht erfüllen
und wir beide stehen diese Woche ohne Geld da. Er macht wunderbare
Kleider und Teppiche, müsst Ihr wissen. Er hat einen großen
Auftrag von einem reichen Händler an Land gezogen, aber der
besteht natürlich auf der rechtzeitigen Lieferung."
So
ging es noch eine ganze Weile. Das Mädchen schnatterte vor sich
hin und Gustav montierte das Ersatzrad. Plötzlich stockte die
Dame und meinte:
"Momentchen
mal, Ihr seid doch der Ritter Gustav, nicht wahr?"
Gustav
blickte auf, wurde rot und nickte eilig. Schon fühlte er sich
ganz verlegen.
"Ich
kann es nicht fassen", rief das Mädchen entzückt. Jede
Unbill war vergessen. "Der große Ritter Gustav hilft mir
bei meinem gebrochenen Rad. Das ist ja wie im Märchen. Niemand
wird mir glauben."
Als
Gustav fertig war, stellte er den Wagen auf, sammelte die Häute
und Stoffe ein, und stellte sich dann vor das Fuhrwerk, um die Arbeit
des entfleuchten Lasttieres zu übernehmen. Er schaffte es gerade
so, den Redefluss des Mädchens für ein einziges Wort zu
unterbrechen:
"Wohin?"
"Mein
Vetter ist über ein paar Ecken mit dem großen Künstler
Velarius verwandt, daher vielleicht das Talent ... was? Oh, gerade
ein Stückchen die Straße runter. Es ist nicht weit."
So
zog Gustav den Karren, während die junge Frau munter weiter
redete. Als sie am richtigen Haus angekommen waren, sagte sie:
"Hier
wären wir. Ritter Gustav hat meinen Wagen gezogen, das darf ich
keinem erzählen, sonst erklärt man mich für verrückt."
Gustav
verbeugte sich galant vor dem Mädchen, klopfte sich den Staub
vom Wams und ging dann ohne ein Wort davon.
Die
junge Maid sah ihm lange verblüfft hinterher, unwissend, ob sie
träumte oder wachte.
Später
war Gustav schon wieder eher in seinem Element, obwohl ihm der
"Schrecken" noch in den Knochen saß.
Er
befand sich mit vier jungen Burschen auf einem abgesteckten
Sandplatz, von dem man den Schnee entfernt hatte, wo er ihnen Kniffe
mit einem Holzschwert beibrachte. Eifrig kopierten sie jedes seiner
Manöver, während ihre Augen vor Stolz und Hingabe
funkelten. Sie würden einst gute Kämpfer werden, dachte
sich Gustav, der aber nur halb bei der Sache war und noch immer das
zufällige Treffen mit der Dame im Kopf hatte. Er verfluchte sich
selbst. Sie war niedlich gewesen, obwohl vielleicht ein wenig zu jung
für ihn. Jetzt musste sie ihn für einen Trottel halten.
Einer
der Knaben, Karrack, der jüngste der vier, stolperte plötzlich
und fiel auf die Nase. Gustav half ihm auf.
"Nicht
so stürmisch", sagte er und klopfte den Jungen ab. "Du
musst immer auf deinen Stand achten. Der beste Schlag führt nur
ins eigene Verderben, wenn er dich ins straucheln bringt. Die
Grundlage eines jeden Kämpfers ist immer noch ein Paar
standhafter Füße."
Der
Junge Karrack lächelte und nickte feierlich. Er würde die
Lektion nicht vergessen.
Seltsam,
hier, im Trainingslager, fühlte Gustav sich frei und
unbeschwert. Wahrscheinlich lag das daran, dass es hier so wenige
Frauen gab. Er seufzte schwermütig.
Gerade,
als er wieder seine Grundstellung einnehmen wollte, gab es Trubel auf
dem Platz. Eine ganze Reihe von Knappen starrte erstaunt einem Trio
von Beamten hinterher, die wie besessen über den Sand wetzten.
Ihre Köpfe waren hochrot, so als wären sie schon seit
Stunden am Rennen. Vor Gustav hielten sie endlich an.
"Was
ist denn geschehen?" fragte der Ritter sanft. Doch die Gelehrten
keuchten und japsten, und für Minuten war nichts aus ihnen
herauszuholen. Schließlich sagte einer von ihnen:
"Ein
Drache. Im Wald lebt ein
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