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Der Assistent der Sterne

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Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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Psychologe hätte mir natürlich eine Erklärung geliefert, daran zweifle ich nicht. Die Psychologie hat für alles eine Erklärung, deshalb ist sie eine Religion und keine Wissenschaft. Man könnte genauso gut würfeln und jeder Zahl eine seelische Störung zuordnen, Missbrauch, Liebesmangel, alles natürlich in der Kindheit angesiedelt, wo es sich schlecht überprüfen lässt. Nein, Jensen, das war kein psychologisches Phänomen, eher schon ein physikalisches. Ilunga war mein Anti-Teilchen, das halte ich für die überzeugendste These. Wir waren dazu geschaffen, einander zu vernichten. Sie hat mich auch tatsächlich vernichtet, nur nicht vollständig. Ein kleiner Rest von mir blieb übrig, und hier spielt das Ganze nun in die Biologie hinein. Letztlich folgte ich nur dem Selbsterhaltungstrieb. Um der vollständigen Vernichtung meiner Persönlichkeit zu entgehen, hätte ich sie töten müssen. Aber bekanntlich haben Sie mir …«
    »Ja«, sagte Jensen. Er startete den Motor, denn der Abschleppwagen hatte sich in Bewegung gesetzt, der Raucher eilte zu seinem Wagen, an der Spitze der Kolonne begannen die Räder wieder zu rollen.
    »Item«, sagte De Reuse. »Ich war Ihnen eine Antwort schuldig, und meine Schuld ist damit beglichen. Ich habe mich übrigens auf Andeutungen beschränkt, und glauben Sie mir, die Bisse waren nur das Präludium. Trotzdem gelingt es Ihnen vielleicht, zu erkennen, wie trivial Ihr Motiv war, verglichen mit meinem. Strengen Sie sich einfach ein bisschen an, Jensen. Und jetzt, wie gesagt, werde ich Ihren Kollegen besuchen. Es ist zwar schon nach acht, aber er wird doch noch im Büro sein? Was meinen Sie? Wie auchimmer, Sie sollten diesen Abend genießen. Es ist möglicherweise für lange Zeit der letzte, den Sie in Freiheit verbringen.«
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    25
    J ensen parkte den Wagen am Koningin Astridplein. Eine Weile blieb er noch sitzen, er kämpfte gegen ein Gefühl der Vergeblichkeit. Kurz nachdem der Stau sich aufgelöst hatte, war De Reuses silbergrauer Jaguar an ihm vorbeigezogen, in hohem Tempo, uneinholbar. De Reuse war bestimmt eine halbe Stunde vor ihm in Antwerpen angekommen, er saß jetzt in Verstrekens Büro und brachte die Ereignisse ins Rollen.
    Jensen gab sich einen Ruck. Er stieg aus, er fühlte sich hölzern, am Hüftknochen nagte ein Schmerz. Seinem Körper war die Geschmeidigkeit abhandengekommen; nach langem Sitzen verschwand die Steifheit in seinen Gelenken erst nach einer Angewöhnungsphase. Natürlich war es im Wagen auch sehr kalt gewesen. Dennoch, es lag nicht an der Kälte, sondern daran, dass sein Körper eine einmal eingenommene Haltung nur noch widerstrebend aufgab, so als sehne er sich bereits nach der ewigen Ruhe.
    Jensen schloss den Wagen ab, die Gegend um den Hauptbahnhof war unsicher. Versicherungstechnisch wäre es allerdings das Beste gewesen, wenn ihm diese alte Kiste gestohlen worden wäre.
    Er schlug den Weg zur Bisschopstraat ein, genau genommen war es ein Blindflug. Er hatte sich bei seinem ersten Besuch Lulambos Telefonnummer nicht aufgeschrieben, jetzt konnte er nur hoffen, dass er zu Hause war. Jensen stieg die steile Treppe hoch, die ihn heute noch mehr als vorgestern außer Atem brachte. Auf sein Klopfen hin öffnete Lulambos Wohnungspartner die Tür, Jensen hatte seinen Namen vergessen. Victor?
    »Victor Opango«, sagte der Mann, und flink wechselte die Bierdose von der rechten in die linke Hand, damit die Hände geschüttelt werden konnten. »Wir kennen uns. Sie waren am Donnerstag hier. Herr Vermeiren, nicht wahr?«
    »Jensen. Ist Herr Lulambo hier?«
    Die Frage amüsierte Opango, er lachte, seine Augen strahlten vor guter Laune.
    »An einem Samstag? An einem Samstag sitzt doch keiner zu Hause. Nein, er ist im Pub. Ich weiß nicht, wie es heißt. Er nimmt mich nie mit. Es ist sein Pub. Ich habe mein Pub, und wir wollen das nicht vermischen. Mein Pub, dein Pub. Kennen Sie das? Meine Seite, deine Seite.« Opango war zweifellos ein wenig betrunken. »Es ist aus dieser Serie, Farscape. Aber Farscape kennt niemand, nur Pierre und ich. Wir sind Science-Fiction-Fans.«
    Immerhin wusste Opango, dass sich Lulambos Pub in der Statie-Straat befand, keine hundert Schritte von hier. Jensen bedankte sich und eilte hinunter auf die Straße, beflügelt durch den kleinen Erfolg: Lulambo war also greifbar.
    Auf dem Weg zum Lokal unterdrückte Jensen ein Gähnen. Er fand es beunruhigend, dass er so müde war, selbst jetzt, in einer

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