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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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ausgegangen ist. Aber dann schweigt er, um den anderen die Freude nicht zu verderben. Er versucht, sich nicht anmerken zu lassen, dass er das Ergebnis längst kennt.«
    Zwei Frauen staksten auf hohen Schuhen ins Pub, sie knöpften ihre Mäntel auf. Lulambo erhob sich und begrüßte die Frauen mit Wangenküssen. Seine Freunde winkten die Frauen zu sich, dem Fußballspiel fehlten nun die Zuschauer, die Männer erlagen dem stärkeren Reiz.
    »Ich bin gleich bei euch«, sagte Lulambo zu den beiden, er setzte sich wieder hin.
    »Sie sprachen vorhin von Geduld«, sagte Jensen. »Ich habe im Augenblick keine. Ilunga Likasi. Sagt Ihnen der Name etwas?«
    Lulambos Lächeln galt noch immer den beiden Frauen.
    »Nein«, sagte er. »Den Namen Likasi habe ich schon gehört. Es ist eine Stadt im Kongo. Oder ein Bezirk. Ich weiß es nicht genau.«
    »Aber Sie kennen Trees Lachaert.«
    »Das wissen Sie doch. Sie haben es mich am Donnerstag schon gefragt.«
    »Sie ist heute Morgen gestorben.«
    Lulambo nahm die Brille ab. Er strich sich mit der Hand über sein Gesicht. Dann setzte er die Brille wieder auf. Seine Augen hatten einen anderen Ausdruck angenommen.
    »Sie sollten mir jetzt gut zuhören«, sagte Jensen. »Vor etwas mehr als einer Woche war Trees Lachaert bei Ihnen. Sie wollte sich von Ihnen die Zukunft vorhersagen lassen. Sie sagten Ihr, dass Ihre Tochter bald sterben wird. Und jetzt, Herr Lulambo, ist Trees Lachaerts Tochter verschwunden. Sie wurde gestern Nacht aus ihrem Auto gezerrt. Seither gibt es von ihr kein Lebenszeichen. Die Polizei geht von einem Mord aus. Vera Lachaert. Sie nennt sich auch Ilunga Likasi. Verstehen Sie, was das für Sie bedeutet?«
    Lulambo nickte. Er schob das Bierglas beiseite.
    Er will nicht mehr trinken, dachte Jensen. Er weiß, dass er sich jetzt konzentrieren muss.
    »Wir haben am Donnerstag darüber gesprochen«, sagte Lulambo. »Es war der Tag, an dem Ghana gegen Nigeria sechs zu eins verloren hat. Es war das Spiel vor dem Spiel gegen Kamerun, das mir mein Bruder auf Video geschickt hat. Das Spiel gegen Nigeria habe ich mir live im Radio angehört, zusammen mit Victor. Sie kennen Victor. Er wohnt in derselben Wohnung wie ich. Das Video mit dem Spiel gegen Nigeria hat mein Bruder wahrscheinlich schon abgeschickt. Es wird aber erst in drei oder vier Tagen hier ankommen. Weil ich es aber im Radio schon gehört habe, weiß ich, dass Ghana sechs zu eins verlieren wird. Ich weiß es jetzt schon, während sich meine Freunde noch das Spiel gegen Kamerun ansehen. Ich werde ihnen aber nicht sagen, was ich jetzt schon weiß. Das wäre unfair.«
    Mit Verspätung verstand Jensen, dass Lulambo ihm auf diese verklausulierte Weise etwas mitzuteilen versuchte.
    »Ich fürchte«, sagte er, »Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, als unfair zu sein. Trees Lachaert ist tot. Dafür sind Sie meiner Meinung nach mitverantwortlich, Sie und Ihre Prophezeiung. Aber was sehr viel wesentlicher ist: Ihre Prophezeiung scheint sich erfüllt zu haben. Ilunga Likasi ist möglicherweise tot. Und Sie wussten das schon Wochen vorher.«
    Lulambos Freunde an der Bar jubelten, sie umarmten einander, die beiden Frauen wurden geküsst.
    »Eins zu null für Ghana«, sagte Lulambo freudlos.
    Er hat sich das Video doch schon vorher angesehen, dachte Jensen, er weiß, dass sich das Blatt wenden wird.
    »Sie haben ein Problem«, sagte Jensen. Seine Müdigkeit war einem erfrischenden Gefühl der Überlegenheit gewichen. »Ihr Problem ist, dass die Ereignisse Ihnen recht geben. Ich behaupte nicht, dass es keine Antwerper Polizisten gibt, die an Hellseherei glauben. Aber selbst diese Beamten sind dazu verpflichtet, zunächst abzuklären, ob es nicht eine natürliche Ursache dafür gibt, dass Sie von dem Mord schon vorher Kenntnis hatten. Die einfachste Erklärung wäre, dass Sie selbst es getan haben.«
    »Nein!«, rief Lulambo. Er stand auf, er atmete mit offenem Mund, die Angst in seinen Augen war echt. »Ich habe damit nichts zu tun!«
    »Bitte setzen Sie sich wieder.« Lulambos flackernde Augen, dieser Schrecken darin, das hatte Jensen nicht unbedingt gewollt. »Ich will Ihnen nicht schaden«, sagte er.
    »Ich habe dieser Frau nichts getan!« Lulambo blickte sich hilfesuchend nach seinen Freunden um, die ihn aber vergessen hatten, das Spiel war zu spannend, die Frauen zunahe. »Ich lüge nicht. Ich habe diese Frau nicht berührt. Ich weiß nicht, was …«
    Lulambo ließ sich auf den Stuhl sinken. Er nahm die Brille ab und rieb

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