Der Assistent der Sterne
mit einem Zipfel seines T-Shirts die Gläser sauber. Plötzlich begann er ein Lied zu summen, eine merkwürdige, atonale Melodie, die ihn aber zu beruhigen schien.
»Ich weiß nicht, was Sie wollen«, sagte er müde. Er warf die Brille auf den Tisch und verschränkte die Arme.
»Die Wahrheit. Sonst nichts.« Jensen war sich bewusst, dass es aus seinem Mund zynisch klang. Die Bisswunde an seinem Hals, der kleine, flächige Schmerz, erinnerte ihn daran, dass er aus unlauteren Gründen an der Wahrheit interessiert war. »Wenn ich Ihnen glauben soll, dass Sie Ilunga Likasi nichts angetan haben, müssen Sie mir erklären, weshalb Sie wussten, dass jemand anders das tun wird.«
Lulambo schloss die Augen.
»Mein Fetisch hat es gewusst. Nicht ich. Mein Fetisch. Er weiß die Dinge, nicht ich. Ghana wird drei zu eins gegen Kamerun verlieren. Auch das wusste ich nicht, bevor mein Fetisch es mir sagte.«
Jensen glaubte zu verstehen, worauf es hinauslief.
»Dann sollte ich mit Ihrem Fetisch sprechen. Was meinen Sie? Wäre das nicht besser? Denn offenbar wissen Sie nichts, er aber schon.«
»Ja. Sie sollten mit ihm sprechen. Nicht mit mir.«
»Dann lassen Sie uns gehen.«
»Wohin?« Lulambo öffnete die Augen.
»Zu Ihrem Fetisch. Ich nehme an, er steht in Ihrem Zimmer?«
Lulambo nickte.
»Ich werde Sie zu ihm führen«, sagte er.
In Lulambos Zimmer herrschte eine unerträgliche, trockene Hitze. Offenbar war der Heizlüfter, der auf dem alten Fernseher stand, seit Stunden ununterbrochen in Betrieb. Jensen zog seine Jacke aus, er schwitzte; gern hätte er auch den Schal abgelegt, aber das durfte er sich nicht erlauben.
Lulambo bot ihm, wie schon bei seinem ersten Besuch, ein Sitzkissen an.
»Ein Stuhl wäre mir lieber.«
Lulambo hob bedauernd die Hände.
»Der Fetisch ist eitel«, sagte er. »Ihr Kopf darf seinen Kopf nicht überragen.«
»Und wie ist es mit dem Heizlüfter? Glauben Sie, dass Ihr Fetisch damit einverstanden ist, dass wir ihn ausschalten?«
»Das werden wir gleich wissen.« Lulambo zog den Stecker aus der Buchse. »Nein. Er hat nichts dagegen.«
Spiel mit, dachte Jensen. Sag nichts. Lass es ihn auf seine Art erledigen.
»Ich empfange die Kunden sonst in einem anderen Zimmer«, sagte Lulambo. Er zündete drei Kerzen an. »Aber Sie sind kein Kunde. Es ist eine persönliche Angelegenheit zwischen Ihnen und ihm. Er wird sich in diesem Zimmer sicherer fühlen.«
Lulambo ordnete die Kerzen am Boden zu einem Dreieck. Er knipste das Licht aus.
»Künstliches Licht stört ihn«, erklärte er. »Er ist ein Erdgeist. Wenn ich ihn nicht verhülle, schläft er nicht. Wie die Kanarienvögel. Man muss ihren Käfig nachts verdecken, sonst finden sie keine Ruhe.«
Während Lulambo dies alles in beiläufigem Ton vortrug, so als spreche er über die Marotten seiner Großmutter, behängte er sich mit verschiedenen Ketten, die er einemLederbeutel entnahm. Die Kerzen flackerten unruhig, es irritierte die Augen. Waren es Muschelketten?
»Kaurimuscheln«, sagte Lulambo. Er rüttelte an den Ketten, sie rasselten leise; es war ein sehr natürliches Geräusch. »Diese Muscheln leben unter Wasser. Wenn der Fetisch sie sieht, denkt er, dass er sich unter Wasser befindet. Das macht ihm Angst, denn er hasst das Wasser. Er stammt aus einer trockenen Gegend, in der es nie regnet. Wenn er Angst bekommt, ist er bereit, zu reden. Man darf ihn wirklich nicht überschätzen. Er ist wie ein Esel, den man schlagen muss, damit er gehorcht.«
Lulambo zog nun eine ärmellose Weste an, eine Art Gilet mit merkwürdig vielen kleinen Ausbuchtungen, winzigen Taschen, die aber zugenäht waren. »Wie ich schon sagte, er ist ein Erdgeist. Deshalb ist er nicht besonders klug. Er denkt nicht gern. Aber das ist gut. Denn wenn er klug wäre, könnte er lügen. Und dann wäre er nutzlos.« Lulambo knöpfte die Weste zu. »Allerdings ist er sehr mächtig, wenn er wütend wird. Deshalb trage ich diese Weste. Sie wird mich schützen. Ich werde ihn jetzt holen. Sind Sie bereit?«
»Ja.« Schon seit zehn Minuten, dachte Jensen. Er hatte noch nie ein Verhör geführt, bei dem der Befragte sich auf so umständliche Weise in Stimmung für ein Geständnis brachte.
»Sie müssen sich jetzt aber setzen.«
Jensen ließ sich auf das Kissen nieder, auf dem ein bequemes Sitzen unmöglich war. Lulambo zog seine Schuhe aus, er nahm die Brille ab und reichte sie Jensen. Es war eine Hornbrille, von einigem Gewicht; sie fühlte sich unangenehm warm an. Jensen
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