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Der Assistent der Sterne

Der Assistent der Sterne

Titel: Der Assistent der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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mit ihr geschlafen?«
    »Warum? Hat sie dir das erzählt?«
    Etwas flog dicht über ihre Köpfe, Stassen duckte sich. Es war eine Krähe, die sich in einiger Entfernung auf einem Grabstein niederließ.
    »Ja«, sagte Jensen. »Ich habe mit ihr geschlafen. Ein einziges Mal, in einem Hotel in Reykjavík. Es war eine Eskapade, sonst nichts. Nein, wir haben keine Beziehung. Falls das deine nächste Frage war.« Es überraschte ihn, wie sehr es ihn erleichterte, es endlich auszusprechen, jemandemdie Wahrheit zu sagen; eine kleine Beichte, hier auf dem Friedhof. Stassen und Annick kannten einander nicht, es würde also nichts zu ihr durchdringen.
    »Und wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«, fragte Stassen. Er ließ die nur halb gerauchte Zigarette auf den Kies fallen, drückte die Glut mit der Schuhspitze aus und hob den Stummel dann auf. Er warf ihn über die Friedhofsmauer.
    »Gestern.«
    »Um welche Zeit?«
    »Brauche ich ein Alibi?«
    Es ist ihr etwas zugestoßen, dachte er.
    »Kann sein«, sagte Stassen. »Vor allem brauche ich Sicherheiten. Ich muss mir ganz sicher sein, dass ich nicht auf das falsche Pferd setze. Wann genau und wo hast du sie das letzte Mal gesehen?«
    »Im Gouden Reaal. Das ist ein Bistro, in Antwerpen. Es war um ein Uhr, ungefähr.«
    »Mittags oder nachts?«
    »Ein Uhr mittags.«
    »Was war der Grund für dieses Treffen?«
    »Es war kein Treffen. Wir sind uns zufällig begegnet.«
    Es zogen Wolken auf, der Glanz der Dinge erlosch, es wurde schlagartig kühler. Jensen zog den Reißverschluss seiner Jacke wieder hoch.
    »Und worüber habt ihr gesprochen?«
    »Ich sagte doch: Es war kein Treffen. Wir haben nur ein paar Worte miteinander gewechselt.«
    »Das verstehe ich nicht.« Stassen steckte sich bereits die nächste Zigarette in den Mund, der Wind blies ihm sein Streichholz aus.
    »Du sagst, ihr hattet keine Beziehung.« Er drehte sich vom Wind weg und entzündete in der hohlen Hand einweiteres Streichholz. »Warum wollte sie dann noch einmal mit dir schlafen?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Sie wollte nicht mit mir schlafen. Wie kommst du darauf?«
    Stassen blickte auf seine Uhr.
    »Ich bin spät dran«, sagte er. »Also hör mir jetzt zu. Heute Nacht um zwei Uhr achtzehn ist einer Streife in Antwerpen ein Wagen aufgefallen, ein blauer Renault. Der Wagen stand mitten auf dem Gehsteig, am Scheldeufer. Beide Vordertüren offen, der Motor lief noch. Es war leicht, herauszufinden, wem der Wagen gehörte, die Papiere lagen im Handschuhfach. Außerdem fand man im Fußraum des Beifahrersitzes eine Handtasche mit dem Personalausweis von Vera Lachaert. Der Beifahrersitz war voller Blut, frisches Blut, eine ganze Menge davon, Blutgruppe Null. Der Wagen war aber unbeschädigt, keine Beule, nichts. Ein Unfall war es also nicht. Und das Blut stammt nicht von Vera Lachaert. In ihrer Brieftasche steckte eine Karte mit Informationen über die Medikamente, auf die sie allergisch war. Ihre Blutgruppe stand da auch drauf. A positiv. Wie deine. Nein. Warte. Ich weiß, was du jetzt sagen willst. Aber du wirst gleich verstehen, warum ich das überprüfen musste. Ich habe mir erlaubt, in deiner Personalakte nachzusehen, sie ist ja bei uns immer noch gespeichert. Und ich muss sagen, ich bin sehr froh, dass das Blut im Wagen nicht deins sein kann. Denn deine Antworten haben mich nicht überzeugt. Du verschweigst mir etwas. Das macht mir Sorgen. Ich bin nicht sicher, ob ich dir trauen kann. Hannes?«
    »Ja.«
    »Hast du mir zugehört?«
    »Das ist doch unmöglich«, sagte Jensen.
    »Was?«
    »Seid ihr sicher? Sprechen wir von derselben Person? VeraLachaert. Ungefähr dreißig Jahre alt. Sie ist Assistentin am Institut für Physik der Universität von Antwerpen.«
    »Vera Lachaert oder Ilunga Likusi, ganz wie du willst. Ja. Ich fürchte, wir sprechen von derselben Person, Hannes. Von der Frau, die dich erpresst hat.«
    »Sie hat mich erpresst? Müsste ich das nicht wissen? Davon weiß ich aber nichts, Frans. Das ist absurd! Das ist alles vollkommen …« Gespenstisch, dachte er. Blut in ihrem Wagen!
    »Ist sie entführt worden?«, fragte er. Lulambo, dachte er. Mein Erdgeist kann nicht lügen. »Habt ihr eine Spur? Wisst ihr, ob sie noch lebt?«
    »Du bist die Spur, Hannes.« Stassen zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der Tasche. »Es ist eine Kopie. Die Kopie eines Zettels, den die Kollegen aus Antwerpen in der Handtasche von Vera Lachaert gefunden haben.« Er entfaltete das Blatt und gab

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