Der Assistent der Sterne
Untersuchungshaft. Kannst du das bestätigen?«
»Richtig. Verstreken sagte, dass da nichts zu machen ist. Aber du weißt ja, wie er ist. Er lässt nicht locker. Seit ich ihn kenne, weiß ich erst, was ein Korinthenkacker ist. Einer, der beim Scheißen die Weinbeeren zählt, die er gegessen hat.«
»Ein Pedant, ja«, sagte Jensen. »Aber das ist die deutsche Bedeutung von Korinthenkacker. Im Flämischen meint man damit einen Geizhals. Was du meinst, ist im Flämischen ein Erbsenzähler. Verstreken ist ein Erbsenzähler und kein Korinthenkacker.«
»Ach? Meine Mutter war aber Deutsche, wie du weißt. Und wenn sie sagte, der ist ein Erbsenzähler, meinte sie damit, dass er ein Geizhals ist.«
»Ja. Weil im Deutschen Erbsenzähler ein Synonym für Korinthenkacker ist. Aber im Niederländischen nicht. Aber das ist ja jetzt unwichtig. Glaubst du, dass Verstreken De Reuse überwachen lässt?«
»Schon möglich. Das traue ich ihm zu. Und du triffst dich mit diesem Kerl? Hältst du das für klug? Hast du das gemeint, mit den drei Tagen? Dass du dich mit dem Hauptverdächtigen triffst? Du solltest doch froh sein, dass Verstreken jetzt auf diesen … wie heißt er?«
»De Reuse.«
»… auf diesen De Reuse fixiert ist. Etwas Besseres kann dir doch gar nicht passieren. Wenn der jetzt aber überwacht wird, und du triffst dich mit ihm, kriegen die Beschatter doch große Pupillen. Dann sehen die nur noch dich.«
»Das mag sein«, sagte Jensen. »Aber auf dem Zettel sind meine Fingerabdrücke. Das ist der Punkt, Frans. DassVerstreken vorübergehend einen anderen verdächtigt, verschafft mir vielleicht ein bisschen Zeit. Aber es löst das Problem nicht. Mir bleibt keine Wahl. Ich muss Verstreken den Schuldigen präsentieren, falls es überhaupt einen gibt. Ich muss ihm den Fall aufgeklärt auf den Tisch legen, nur dann bin ich draußen. Was denkt er eigentlich über die Fingerabdrücke? Er hat das doch bestimmt schon überprüft.«
Jensen erreichte die Ausfahrt, Bentille.
»Natürlich hat er es überprüft. Und er weiß, dass es nicht die von … ich kann mir den Namen einfach nicht merken …«
»Jan De Reuse.«
»Richtig. Es sind nicht seine. Und der Kerl hat ein Alibi. Aber Verstreken hat sich in ihn verbissen. Heilige Scheiße! Du solltest darüber froh sein! Riskier jetzt nichts! Deine Fingerabdrücke sind nirgends registriert, außer in unserer internen Datei. Was dir gefährlich werden kann, ist die Telefonnummer deiner Freundin. Aber das habe ich ja erst mal blockiert. Du solltest dich mit diesem … De Reuse nicht treffen, glaub mir. Dadurch wird Verstreken auf dich doch erst aufmerksam!«
»Er wird nicht überwacht«, sagte Jensen.
»Ach? Und was macht dich da so sicher?«
»Weil ich seinen Wagen sehe.«
Der silbergraue Jaguar stand am Rand eines weißen Ackers. Die Nebenstraße führte schnurgerade übers Land. Jensen blickte in den Rückspiegel: nichts. Auch vor ihm war die Straße leer.
»Falls sie ihm gefolgt sind«, sagte er, »haben sie ihn verloren. Hier ist niemand. Nur er und ich.«
»Werd nicht pathetisch«, sagte Stassen.
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23
K eine Erklärungen, nicht hier, hatte De Reuse gesagt.
Er war eingestiegen und losgefahren.
Und nun folgte Jensen dem Jaguar, in seinem Peugeot, in dem er fror. Es kam ihm vor, als reite er auf einem Esel einem Hengst hinterher. Sein Wagen war schwach, und das missfiel Jensen. Er wäre gern in dem starken Jaguar gesessen, die Motorleistung hätte sich auf ihn übertragen und ihm ein Gefühl der Überlegenheit verschafft. Das Herz des Feindes zu essen hatte früher, vor der Zivilisierung, denselben Effekt gehabt. De Reuse aß Jensens Herz, indem er einen Jaguar fuhr.
De Reuse war zur Begrüßung aus seinem Wagen ausgestiegen, im Gewand des Jägers. Eine grüne Wollmütze, ein grüner, dicker Pullover, darüber eine Weste mit verschwenderisch vielen Taschen, Schnürstiefel, Hosen in Tarnfarbe. Wo ist das Gewehr?, hatte Jensen gedacht. Im Kofferraum? Gehen wir auf Hirschjagd?, hatte er De Reuse gefragt.
Keine Erklärungen, hatte De Reuse geantwortet. Nicht hier.
Schneeflocken blieben auf der Windschutzscheibe des Peugeots kleben, die Scheibenwischer erfassten nicht alle. In der Ferne, hinter den Äckern, stand eine Reihe einäugiger Häuser, nur jeweils hinter einem Fenster brannte Licht. Es war eine Gegend für Stadtflüchter, die ihre Kinder mit Maulwürfen verwechselten; sie wollten sie in einer Umgebung mit viel feuchter Erde aufziehen.
Marleen wird in
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