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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Sägewerker zu fragen, was seine Mutter und ihn miteinander verband.
    » Komm!« Louis öffnete vorsichtig die Tür zu Zimmer 214. Maya folgte ihm leise in den dämmrigen Raum und drückte hinter sich die Tür wieder zu. Auf dem Bett lag ein alter Mann, der ihnen aus hellblauen Augen fragend entgegen sah.
    Louis hob die Hand minimal an. » Guten Tag. Wir… Wir… Dürfen wir Sie etwas fragen?«
    Der alte Mann mit dem außergewöhnlich weißen Haar zwinkerte. Er war wach, aber er bewegte sich nicht. Auch nachdem Louis die Frage noch einmal wiederholt hatte, antwortete er nicht. War der Mann taub? Wollte er nur nichts sagen? Wunderte er sich, warum Louis und Maya plötzlich in seinem Zimmer standen? Wusste er, wer sie waren? Bestimmt nicht. Woher denn?
    Maya drängte an Louis vorbei, stellte sich direkt neben das Bett und blickte auf den alten Sägewerker hinunter. » Hallo. Ich bin Maya. Und das ist mein… mein… Das ist Louis.«
    Der Mann zwinkerte wieder. Ansonsten lag er reglos da. Verstand er überhaupt etwas? Vor den Fenstern waren die Jalousien heruntergelassen. Nur zwischen den Lamellen drückte sich das Licht des Nachmittags hindurch. Die Apparate, an die der alte Sägewerker angeschlossen war, gaben ab und zu ein träges Piepsen von sich.
    Louis trat neben Maya und warf einen scheuen Blick auf den hilflosen Mann. An seiner Schläfe, die mit Altersflecken übersät war, prangte eine riesige Narbe. Da musste ihn der Schuss getroffen haben, der ihn hierhergebracht hatte. Das bedeutete, Easy hatte recht. Aus ihm würde tatsächlich nicht mehr viel rauszubekommen sein.
    Seine Hände lagen ruhig, rechts und links von seinem Körper, auf dem Laken. Auf dem Nachtschränkchen stand ein gerahmtes Bild. Er mit seinen beiden Jungs. Der Größere trug rechts wieder einen schwarzen Lederhandschuh, obwohl er ein kurzärmeliges, kariertes Hemd und kurze Hosen anhatte. Das sah merkwürdig aus. Der Kleinere hatte ein offenes Gesicht, ein breites, selbstbewusstes Grinsen, aber ohne dass er angeberisch wirkte. Der Vater hatte seine Arme um die Schultern seiner Jungs gelegt. Allen Fotografien zufolge, die Louis von dieser Familie inzwischen schon gesehen hatte, musste der Vater seine Jungs sehr geliebt haben. Was also, wenn die Clique tatsächlich seinen Sohn umgebracht hatte? Warum konnte ihnen denn nicht einmal jemand eine klare Antwort geben? Jedes Mal, wenn Louis jemanden fragen wollte, traf er nur wieder auf einen Toten– oder auf jemanden, der nicht mehr reden konnte. Das Geheimnis musste so groß, so schlimm sein, dass irgendjemand im Hintergrun d pe nibelst darauf achtete, dass es niemals preisgegeben wurde.
    Maya hatte einen Schritt zurückgemacht. Sie flüsterte: » Und jetzt?«
    Er zuckte mit den Schultern. » Ich weiß es doch auch nicht. Anstatt Antworten zu bekommen, kriegen wir nur noch mehr ungeklärte Fragen.« Louis drehte sich zu Maya um. » Warum war meine Mutter hier? Was wollte sie von ihm? Woher kannten sie sich?«
    » Ist das so wichtig?« Maya kratzte sich nervös im Nacken. Ihr war anzusehen, dass sie sich hier drinnen irgendwie ausgeliefert fühlte. Nach ihrer Zeit im Wald war sie es offenbar nicht mehr gewohnt, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten.
    » Tja, schwer zu sagen.« Louis’ Blick schweifte über das Nachtschränkchen, auf dem neben dem gerahmten Foto ein Untersetzer stand, auf dem sich der Wasserrand einer Topfpflanze abzeichnete, die bis vor Kurzem dort gestanden haben musste. Dann sah Louis wieder zum freundlichen Gesicht des Sägewerkers. » Ich finds ja nur komisch, dass meine Mutter nie von ihm erzählt hat. Was nur bedeuten kann, dass es niemand wissen sollte.«
    Louis wandte seinen Blick von dem alten Mann ab, der ihn mit seinen hellblauen Augen fixierte, und zog mit einem Ruck die oberste Schublade des Nachtschränkchens auf.
    Maya packte ihn am Arm. » Was tust du da?«
    » Ich weiß es nicht. Ich hoffe, ich finde etwas, das uns weiterbringt.«
    Er war nicht bereit einzusehen, dass sich wieder eine Spur verlor, ohne dass sie einen Schritt vorankamen. Es gab immer einen Weg. Man durfte nur nicht aufgeben. Louis schob die Bibel und den Bleistift zur Seite. Weiter hinten in der Schublade lagen noch ein paar Hustenbonbons und eine CD mit klassischer Musik. In der Schublade darunter befand sich ein Stapel alter Briefe und Postkarten. Er griff nach dem Stapel und blätterte ihn durch, bis er auf eine Notiz stieß, auf dessen Rand jemand mit Kinderschrift ein Datum notiert hatte,

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