Der Atem der Angst (German Edition)
anmerken zu lassen. Sie war sich ihrer Sache sicher. Die Beweise waren auf ihrer Seite. » Außerdem haben wir Ihre Fingerabdrücke nicht nur auf dem Kaninchenstall gefunden, den Sie für meinen Sohn gebaut haben, sondern– interessanterweise– auch auf den Sprossen des Hochsitzes, an dessen Fuß Isabel vor sieben Jahren im Wald gefunden wurde.«
» Ich weiß. Das hast du mir schon bei meiner Festnahme gesagt.« Konrad wirkte etwas gelangweilt. » Aber was ist mit der Kiste, die neulich im Wald gefunden wurde? Sind da auch meine Fingerabdrücke drauf?«
Heidi zog die Augenbrauen hoch. Fast klang sie entschuldigend, als sie meinte: » Nein, da sind Ihre Fingerabdrücke nirgends zu finden.«
Konrad lächelte zufrieden. » Ist das nicht komisch?«
» Nicht so sehr.« Heidi hielt seinem belustigten Blick stand. Sie würde ihn fertigmachen. Noch blieb sie ganz ruhig. Aber sie würde ihn kriegen. » Sie können Handschuhe getragen haben. So wie jetzt.«
Konrad klatschte in die Hände. » Bravo. Beweist das, dass ich der Mörder bin?«
» Zumindest sind es belastende Indizien.«
» Da gebe ich dir recht.« Konrad nickte, wobei er Heidi durchdringend ansah.
Heidi kam nicht dahinter, was mit diesem Mann los war. Er schien das alles für ein Spiel zu halten. Ein Spiel, in dem es nicht um ihn, sondern um sie ging. Heidi, seine ehemalige Mitschülerin. Vielleicht würde sie mehr aus ihm herausbekommen, wenn sie endlich anfing, ihn wieder zu duzen. Die ganze Internatszeit über hatte sie ihn Konrad genannt. Aber ihre Scham darüber, was sie ihm damals angetan hatte, ließ es nicht zu, dass sie ihn noch einmal bei seinem Vornamen nannte. Irgendwie hoffte sie, das Vergangene ungeschehen zu machen, indem sie versuchte, nicht daran zu denken. Doch es gelang ihr nicht.
Sie hatte ihm einen Kaugummi in die Haare geworfen. Nach dem Sportunterricht hatte sie seine Schuhe versteckt. Sie hatte sein Federetui über der Toilette ausgeleert. Obwohl er gerade seine Hand verloren hatte. Vielleicht sogar deswegen. Dieses Unglück hatte ihr Angst gemacht. Es hatte ihr gezeigt, dass einem etwas zustoßen konnte, selbst wenn man noch ein Kind war. Dabei war an Konrad selbst nichts Böses gewesen. Er war nur hilflos gewesen. Unerträglich hilflos. War denn jetzt etwas Böses an ihm? Oder projizierte sie es wieder nur auf ihn? Beging sie den gleichen Fehler noch einmal und sah wieder etwas in ihm, was er gar nicht war?
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und ihre Gesichtszüge entspannten sich etwas. » Okay… Konrad.« Sie ließ ihre Stimme weich klingen.
Erstaunt zog er die Augenbrauen hoch. Ein kurzes Strahlen flog über seine Augen. » Ja?«
Na also. Das sah doch gleich besser aus. Heidi räusperte sich. » Eine Sache verstehe ich allerdings nicht. Wir haben auch eine Orchideenblüte im Pick-up eines gewissen Timo gefunden, der drüben in Ihrem Sägewerk arbeitet.«
» In deinem Sägewerk arbeitet.«
» Richtig. In deinem Sägewerk.« Heidi seufzte. » Wie passt das ins Bild? Hast du dir den Wagen von ihm ausgeliehen, um Leonies Kiste in den Wald zu schaffen?«
» Nein. Ich bin nie in dem Wagen gefahren. Ich fahre nur Automatik, wegen meiner Hand.« Konrad zog sich einen Handschuh aus und hielt seine gedankengesteuerte Hand hoch. » Du erinnerst dich? Sie war Gegenstand deiner sämtlichen Demütigungen während unserer gemeinsamen Schulzeit.«
» Ja.« Heidi flüsterte es. » Ja. Ich weiß und es tut mir leid.« Sie sog die Luft durch die Zähne ein. Ihre Augen brannten. » Ich wünschte, ich könnte rückgängig machen, was ich damals getan habe.«
» Hast du manchmal daran gedacht, wie du mich behandelt hast? Tauchte ich manchmal in deinen Albträumen auf?«
Heidi schüttelte den Kopf. » Nein. Das ist alles lange her.«
Konrad nickte. » Das habe ich mir gedacht. Du hast mir damals nicht einmal richtig in die Augen gesehen, um mich wahrhaftig als der zu erkennen, der ich war. Ein netter Junge, dem ein Unglück zugestoßen war. Genauso wie du es jetzt vermeidest, mich anzusehen. Dabei wäre das kein schlechter Trick für eine Kommissarin, wenn sie wirklich wissen will, wen sie vor sich hat. Sieh den Menschen in die Augen und du erkennst ihre Seele.«
» Okay. Das… Das reicht.«
Konrad nickte.
Heidi fuhr sich über die Schläfe. » Also gut. Bei der ärztlichen Untersuchung von Leonie haben wir hinten im Nacken einen Bluterguss gefunden, der wahrscheinlich von einem Schlag herrührt, den sie abbekommen hat, als sie
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