Der Atem der Angst (German Edition)
los war, schluchzte Louis los. » Das gehörte meiner Schwester.«
64 . HEIDI
» Danke, dass du dich um ihn kümmerst.« Heidi verschränkte die Arme vor der Brust und trat nervös von einem Bein aufs andere. Sie stand in der offenen Glastür zum Polizeipräsidium und schaffte es nicht, ihrem Exmann in die Augen zu sehen. Dass sie ihm an diesem Abend Winnie überlassen musste, kratzte ziemlich an ihrem Ego. Sie wollte doch eine Frau sein, die auf nichts und niemanden angewiesen war.
» Danke, dass du mich angerufen hast.« Eric boxte Heidi freundschaftlich an den Oberarm. Oh Gott! Wie vergnügt er war. Als hätte er einen Kampf gewonnen. An der anderen Hand hielt er Winnie, der müde vor sich hin stierte.
» Klar.« Heidi nickte träge. » Blieb mir ja auch nichts anderes übrig.«
» Hey!« Eric lachte. » Warum sträubst du dich eigentlich so dagegen, dass wir beide Winnies Eltern sind und uns gemeinsam um ihn kümmern können? Warum willst du bloß immer alles im Alleingang regeln?«
» Keine Ahnung.« Heidi blinzelte Eric an. » Vermutlich ist mein übermächtiger Vater daran schuld.«
» Komm her.« Eric legte den Arm um Heidi und zog sie an sich. » Pass auf dich auf. Ich bringe Winnie morgen in die Schule und hole ihn mittags wieder ab, und wenn das hier alles vorbei ist, gehen wir alle zusammen eine Pizza essen.«
» Danke dir.« Heidi beugte sich zu ihrem gähnenden Sohn nach unten und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. » Machs gut, mein Schatz. Und schlaf gut.«
Dann verschwand Heidi im Präsidium, wo Henner und ein paar ihrer Kollegen schon um den Konferenztisch herumsaßen und auf sie warteten. Heidi hatte eine Sitzung der Sonderkommission einberufen, um endlich einmal alle Beweise mit den Kollegen durchzusprechen. An der Wand pinnten die Tatortfotos von Leonie und Michelle neben einer Karte des Waldgebietes, in dem die beiden Schwestern aufgefunden worden waren. Die Punkte waren mit roten Nadeln gekennzeichnet.
» Okay. Dann legen wir mal los.« Heidi blieb am Tisch stehen und sah in die Runde. Da saßen Henner, Marco aus der Spurensicherung und zwei weitere Kollegen, eine junge Frau und ein untersetzter Mann. Beide waren gerade erst in die Sonderkommission beordert worden, sodass Heidi noch nicht einmal ihre Namen kannte. » Ich fasse mal zusammen: Wir haben den Tatverdächtigen Konrad Bohm, dessen Fingerabdrücke mit denen auf den Hochsitzsprossen übereinstimmen. Allerdings wurden seine Fingerabdrücke nicht auf Leonies Kiste gefunden. Dafür haben wir im Haus des Tatverdächtigen eine Orchidee gefunden, deren Blüten sich in Leonies Haar und in dem Pick-up eines Tischlers vom Sägewerk befunden haben. Der Tischler namens Timo Dominik hat allerdings ein Alibi für die Zeitspanne, in der Leonie verschwunden ist. Seine Kollegen bestätigen, dass er zur fraglichen Uhrzeit im Sägewerk beschäftigt war. Dafür hatte er seinen Pick-up der Mutter von Isabel ausgeliehen– und zwar zum Zeitpunkt, als Leonie verschwand.«
Der untersetzte Kollege hob die Hand. » Was ist eigentlich mit Leonie? Ist sie inzwischen vernehmungsfähig?«
Heidi blickte zu Henner, der den Kopf schüttelte. » Leider noch nicht. Sie steht noch immer unter starken Beruhigungsmitteln. Erste zaghafte Befragungsversuche durch eine Sozialarbeiterin haben aber ergeben, dass sie sich an nichts erinnert.«
Der Kollege nickte. » Und was ist mit Isabels Mutter? Dieser Bella? Hat sie ein Alibi?«
» Tja.« Heidi runzelte die Stirn. » Schwer zu sagen. Denn wir können sie nicht mehr fragen. Sie ist tot. Wir haben sie heute Nachmittag in ihrem Haus mit einem Messer im Bauch vorgefunden. Aufgrund des Einstichwinkels gehen wir allerdings von Selbstmord aus.«
» Ach du Scheiße.« Ein Raunen ging durch die Reihen.
Henner räusperte sich. » Auf ihrem Küchentisch haben wir außerdem einen Laptop mit einem Film sichergestellt, der Leonie in einem Pappkarton zeigt, mit einer Flasche in der Hand, aus der sie trinkt. Wir vermuten, dass darin der Schnaps und die Schmerzmittel enthalten waren, mit denen ihr Entführer sie abgefüllt hat.«
Die junge Beamtin mit blondem Pferdeschwanz rutschte vor auf die Stuhlkante. » Also kann es sein, dass die Mutter von Isabel das kleine Mädchen entführt, mit Alkohol betäubt und im Pick-up in den Wald gebracht hat?«
Heidi nickte. Sie musste sich dringend die Namen ihrer Kollegen einprägen. » Ja, das ist möglich. Zumindest weisen einige Indizien darauf hin. Erstens der geliehene Pick-up,
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