Der Atem der Angst (German Edition)
zweitens wurde in Leonies Nacken ein ziemlicher Bluterguss entdeckt, der vermutlich durch einen Schlag auf den Kistenrand verursacht wurde, als sie hineingehoben wurde.«
Henner blätterte in seinen Unterlagen. » Wir schließen daraus, dass der Täter nicht besonders kräftig war beziehungsweise eine Behinderung hatte. Was uns andererseits auch wieder zu unserem Tatverdächtigen Konrad Bohm, der bei uns in Untersuchungshaft sitzt, kommen lässt. Er trägt eine Handprothese. Außerdem haben wir, wie gesagt, die Orchideenblüten, die auf ihn hinweisen.«
Nun hob Marc, der junge Kollege von der Spurensicherung, die Hand. » Was ist mit dem Alibi des Tatverdächtigen Konrad Bohm?«
Heidi zuckte mit den Schultern. » Haben wir nicht. Er will uns keinerlei Auskunft dazu geben. Überhaupt ist er nicht um Aufklärung bemüht. Es ist, als sei es ihm egal, ob wir ihn für den Täter halten oder nicht.«
» Er sagt nichts zu seinem Alibi?«
Heidi schüttelte den Kopf. » Nichts. Dafür wurden heute früh die sterblichen Überreste von Birgit auf dem Parkplatz des 24-Stunden-Supermarkts gefunden.« Sie ging um den Tisch herum und pinnte mehrere Fotos an die Wand, die ein gelbes Regencape zeigten, in dem ein Haufen Knochen und ein Schädel lagen. Daneben hängte sie die Vergrößerung von Birgits Medaillon, das bei Leonie in der Kiste gefunden worden war.
» Birgit? Das Mädchen, das seit fünfundzwanzig Jahren vermisst wird?« Die Kollegen sahen sich alarmiert an. » Wer hat die denn dahingelegt?«
Henner seufzte und zog die Augenbrauen hoch. » Wenn wir das wüssten! Zumindest müssen wir vermuten, dass die jüngsten Todesfälle mit diesem alten Fall zusammenhängen.«
Heidi nickte und hängte ein weiteres Bild auf. » Ja, irgendwie hängt alles miteinander zusammen. Bei Birgits mumifizierten Überresten wurde wiederum dieses Foto hier gefunden. Wir denken, dass wir das als Hinweis verstehen sollen. Es zeigt die Clique von Birgit oben auf dem Plateau beim Baden. Nach dem Verschwinden des Mädchens hatten die einzelnen Mitglieder ausgesagt, Birgit sei nie am vereinbarten Treffpunkt erschienen. Allerdings zeigt das Foto eine andere Wahrheit. Birgit war an diesem Tag dabei. Ebenso Gero, der zwölfjährige Sohn vom Sägewerker, der sich zwei Tage nach Birgits Verschwinden aufgehängt hat.«
Der etwas untersetzte Kollege sah sich um. » Könnte Isabels Mutter Bella uns die Knochen präsentiert haben?«
Heidi pinnte nun Fotos von Bellas Leiche an die Wand, die Madeleine ihr in einer roten Pappmappe hereinreichte. » Nein. Laut unseres Gerichtsmediziners lag die Frau schon seit gestern Morgen tot in ihrem Haus.«
» Folgt das Ganze irgendeiner Logik?« Der untersetzte Kollege mit der randlosen Brille wirkte beinahe verzweifelt.
» Könnte sein.« Heidi seufzte. » Die Fälle folgen ja immer wieder einem gleichen Muster. Ein Kind stirbt. Anschließend bringt sich jemand um. Das war bei Birgit so. Das war bei Isabel so. Und es war bei Leonie so– mal abgesehen davon, dass Leonie zufällig überlebt hat. Nun müssen wir allerdings damit rechnen, dass es noch eine Leiche gibt, von der wir gar nichts wissen.«
» Wie kommst du darauf?« Die Kollegin mit dem Pferdeschwanz notierte sich etwas.
» Na ja.« Heidi fuhr sich müde übers Gesicht. » Wir haben hier offenbar einen erneuten Selbstmord, aber bisher keinen vorangegangenen Mord. Und gehen wir davon aus, dass alle Fälle dem gleichen Muster folgen, bräuchten wir zu unserem jüngsten Selbstmord noch einen Mord.«
Die Kollegin nickte. » Das verstehe ich. Mein Name ist übrigens Sandra.«
Heidi lächelte. » Hallo, Sandra. Freut mich.«
Sandra klopfte mit der Stiftspitze auf die Tischplatte. » Da ist ein Denkfehler drin.«
» Ach ja?« Heidi legte die rote Mappe auf dem Tisch ab und sah Sandra interessiert an.
» Ja. Denn damals hatten wir beinahe noch einen Selbstmord. Ihm haben wir bisher noch keine Aufmerksamkeit geschenkt. Dennoch hängt er direkt mit Gero zusammen. Sein Vater. Der alte Sägewerker. Er hat ebenfalls versucht, sich das Leben zu nehmen. Für ihn haben wir auch keinen passenden Mordfall. Das bedeutet, nicht jedem Selbstmord ging ein Mord voran. Es sei denn, die Tat des Sägewerkers bezieht sich auf Isabels Tod.«
Heidi schüttelte den Kopf. » Interessant. Da ist dennoch ein Denkfehler drin.«
» Ach ja?« Sandras Gesicht färbte sich himbeerrot.
» Ja! Denn: Warum sollte sich Isabels Vater umbringen, wenn sein Selbstmord sich nicht auf den
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