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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Block aus seiner Manteltasche hervorholte, auf den er seine Handynummer notierte. » Weil sie nicht auf dich aufpasst?«
    » Nee.« Winnie stand auf und griff nach seiner gedankengesteuerten Hand, nachdem er den kleinen Zettel unter der Fußmatte platziert hatte. » Weil sie dich früher, als ihr zusammen auf dem Internat wart, immer so schlecht behandelt hat.«
    » Nein«, murmelte er. » Ich schimpfe sie nicht an. Denn offenbar ist deine Mutter ein bisschen dumm.« Er stand auf, und so gingen sie beide zu seinem Auto, Hand in Hand, über die still daliegende Straße, eingetaucht in das goldgelbe Licht der Laternen. Noch nie hatte ihn ein Kind an die Hand genommen. Noch nie hatte er ein Kind sicher über die Straße gebracht. Noch nie war er so glücklich gewesen wie in diesem Moment.
    Winnie blickte ihn von der Seite an. » Das Gute daran ist: Wir hätten uns sonst nicht kennengelernt.«
    »Da hast du recht.« Er öffnete die hintere Wagentür und ließ den Jungen einsteigen. Bevor er die Tür zuschlug, beugte er sich zu Winnie in den Wagen und blickte ihn zärtlich an. » Du bist der tollste Junge der Welt. Schade, dass du meinen Bruder nicht mehr kennenlernen kannst. Ihr hättet euch auch sehr gemocht.«
    Er küsste Winnie zärtlich auf die Stirn, so, wie er sonst nur seinen Vater küsste, und schlug dann die Wagentür zu. Draußen atmete er seufzend die kalte Abendluft ein und verharrte kurz in der winterlichen Stille. Dann setzte er sich hinters Lenkrad und drehte den Zündschlüssel herum.
    Winnie war von hinten, wie immer, zwischen die Vordersitze gerutscht. » Was arbeitest du eigentlich?«
    Er lächelte in den Rückspiegel. » Gute Frage! Mir gehört drüben das Sägewerk. Ich hab’s von meinem Großvater geerbt.«

55 . MAYA
    Und? Kannst du irgendwas entdecken?« Maya hockte neben Louis, der sich über den mumifizierten Körper des Mädchens beugte, den sie unter einiger Kraftanstrengung aus dem Erdreich geborgen hatten. Der Leichnam war ziemlich hart, verschrumpelt und dunkelbraun wie die Walderde. Eigentlich konnte Maya sich gar nicht vorstellen, dass dies mal ein Mensch gewesen sein sollte.
    Es war früher Morgen. Es nieselte, und das hohe Gras, das rund um den Bergsee wuchs, moderte vor sich hin und verströmte einen unangenehm schleimigen Geruch. Ab und zu durchriss der Schrei eines über sie hinwegsegelnden Raubvogels die Stille. Anstatt Maya zu antworten, machte Louis ein paar Watschelschritte um den erdverkrusteten Körper herum, wobei er mit seinen Augen die Oberfläche nach einem oder mehreren Einschusslöchern absuchte.
    Maya wollte von hier verschwinden. Irgendwie kam es ihr nicht richtig vor, was sie hier taten. So als hätten sie kein Recht, das Mädchen aus dem Schutz des Waldbodens an die Luft zu zerren. Dennoch musste es sein, wollten sie und Louis ihr eigenes Leben retten. Sie mussten herausfinden, was hier oben passiert war. Mayas Stimme klang rau, als sie noch einmal fragte: » Kannst du irgendwo so etwas wie ein Einschussloch erkennen?«
    » Ich weiß nicht.« Louis drehte den Schädel mit seinen Händen vorsichtig zur Seite, die Maya ihm zuvor vorsorglich mit zwei alten Baumwolllappen umwickelt hatte. Sie wollten keine Spuren hinterlassen. Er sah kurz auf. » Kannst du mir mal dein Messer geben?«
    » Hier!« Maya hielt ihm das Jagdmesser hin und rutschte etwas näher heran, um Louis nicht das Gefühl zu geben, dass er diese schlimme Arbeit ganz alleine machen musste. Schließlich untersuchte man nicht jeden Tag eine menschliche Leiche.
    » Da! Siehst du es?« Louis machte Platz, sodass Maya sich ebenfalls über den Schädel beugen konnte. » Da, hinter dem Ohr ist im Knochen ein winziges Loch. Und da drin steckt etwas Goldenes.« Vorsichtig kratzte er mit der Messerspitze darüber. » Sieht aus wie eine Patrone.«
    » Das bedeutet, es könnte tatsächlich das Mädchen von den Fotos sein?« Maya zog sich wieder ein Stück zurück. Was taten sie hier eigentlich? Sie untersuchten die Überreste eines Menschen, von dem sie nur vermuteten, dass es sich dabei um ein Mädchen handelte, das vor fünfundzwanzig Jahren hier oben beim Baden gewesen war. Immerhin hatte sich ihre Befürchtung bewahrheitet, dass es erschossen worden war. Oder war das reiner Zufall? In Mayas Magen rumorte es. Sie zwang sich, ruhig ein- und auszuatmen, wobei sie Louis abwartend ansah. » Und was machen wir jetzt mit ihr? Wir können sie ja nicht einfach hier liegen lassen.«
    » Wir bringen sie runter nach St.

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