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Der Atem der Angst (German Edition)

Der Atem der Angst (German Edition)

Titel: Der Atem der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Sarah und Jens. Ich weiß nur nicht, wer dieser kleine Junge im Karohemd ist. Jetzt fällt mir übrigens auf, dass ich dieses Bild hier zum ersten Mal sehe. Das andere, an das ich mich erinnere, sah ein bisschen anders aus. Auf dem hatte mein Vater, soweit ich mich erinnere, keinen Strohhut auf, und auch der kleine Junge war nicht mit drauf.«
    » Was? Wie kann das denn sein? Ich denke, ihr habt euch das Album früher so oft angeguckt.« Maya blickte Louis irritiert an. » Was ist an diesem Bild denn anders als bei dem, das du kennst?«
    » Dieses blonde Mädchen war nicht mit dabei.« Louis nickte. » Ja! An alle anderen erinnere ich mich. Aber ich erinnere mich nicht daran, dass dieses blonde Mädchen im Bikini und der Junge auf einem der Bilder drauf waren. Meine Mutter muss dieses Bild immer überschlagen haben.« Louis blätterte die Albumseite um. Auf der darauffolgenden Seite klebte tatsächlich ein ganz ähnliches Gruppenbild, auf dem allerdings das Mädchen im Bikini fehlte. Von dem kleinen Jungen war nur noch die karierte Schulter mit drauf. Genauso, wie Lo ui s es erinnert hatte. Und die Gesichtsausdrücke der Jugendlichen hatten sich seltsam verändert. Sie lachten nicht mehr. Irgendwie wirkten ihre Augen merkwürdig verschleiert. Sein Vater blickte nicht in die Kamera, sondern irgendwie entsetzt zur Seite weg. Er trug auch keinen Strohhut mehr. Seine Mutter wandte sich nach hinten um, zu Jens, der etwas Längliches in der Hand hielt. Louis konnte nicht erkennen, was es war.
    » Siehst du das da?« Er tippte auf das längliche Teil, das von Bella und Sarah beinahe verdeckt wurde.
    » Was ist das?« Maya beugte sich tiefer hinunter und schnippte das Feuerzeug an. » Sieht aus wie ein Stab oder…«
    » Oder wie der Lauf eines Gewehres.« Louis rieb sich mit der Hand über die Stirn. » Okay. Sie hatten also ein Gewehr dabei. Ich frage mich, warum alle in die Kamera gucken, nur nicht mein Vater.«
    » Er guckt zu etwas, das sich außerhalb des Bildes befindet. Etwas, das scheinbar auf dem Boden liegt«, murmelte Maya.
    » Meinst du, es ist das Mädchen, das du oben am See gefunden hast?« Louis starrte Maya abwartend an. Er wollte nicht ihre Antwort hören. Er wollte sie nicht hören. Hatte tatsächlich einer von den Jugendlichen das Mädchen erschossen? Nie hatte er von dieser Geschichte gehört, aber eben diese Geschichte musste das schreckliche Geheimnis sein, von dem Maya geredet hatte.
    Maya lächelte unsicher. » Vielleicht? Vielleicht ist ihr Tod das Geheimnis von dem mein Vater gesprochen hat.« Sie flüsterte es fast. » Louis, sie haben da oben am See ein Mädchen erschossen.«
    Wenn dem so war, Louis versuchte den dicken Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken, wenn dem so war, bedeutete das, dass seine Eltern womöglich das Leben eines Mädchens auf dem Gewissen hatten. Er räusperte sich und fragte, ohne weiter darüber nachzudenken: » Meinst du, der kleine Junge war’s?«
    Maya schüttelte den Kopf. » Du meinst, der das Mädchen erschossen hat? Warum sollte er das tun?«
    » Warum sollte irgendjemand von den anderen das Mädchen erschossen haben? Das waren alles Freunde!«
    » Keine Ahnung.« Maya streckte den Arm aus und griff sich Lukas, der neben ihr lag. » Bestimmt war es ein Unfall.«
    » Exakt. Und vermutlich wird der am ehesten dem Kleinsten von ihnen passiert sein.« Louis blickte Maya mit hochgezogenen Augenbrauen an, als wollte er, dass sie endlich seine Vermutung bestätigte. Seine Eltern sollten damit nichts zu tun haben. Dann schlug er die Seite wieder um und besah sich den kleinen Jungen noch einmal genauer. Schließlich murmelte er: » Ich kenne ihn. Es ist der Sohn vom Sägewerker. Ich habe sein Foto unten in dem Museum gesehen, als wir mit der Klasse mal im Sägewerk waren. Da hing ein großes Bild von ihm.«
    Mit einem Satz stand Maya auf und sah auf Louis hinunter. » Und was machen wir jetzt?«
    » Wir suchen den Sägewerkerjungen auf.« Louis erhob sich ebenfalls und streckte sich durch.
    » Spinnst du?« Maya schüttelte erschrocken den Kopf. » Wer weiß, was der zu vertuschen versucht? Alle, die auf diesem Foto zu sehen sind, wissen, was damals passiert ist und wer es war. Damals haben sie sich darauf geeinigt, dass nie jemand darüber redet und…«
    » …vorausgesetzt, es ist alles so passiert, wie wir es uns hier gerade zusammenspinnen. Vielleicht ist das Lange da gar kein Gewehr. Vielleicht sitzt das Mädchen nur außerhalb des Bildes auf einer Picknickdecke.

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