Der Atem der Angst (German Edition)
erste Foto, das die Clique in Badehosen und Bikinis oben am Bergsee zeigte. Die Teenager schienen sich alle für das Foto als Gruppe aufgestellt zu haben. Maya und Louis ließen interessiert ihre Blicke darüber schweifen. Draußen dämmerte der Abend. In der Höhle war es beinahe dunkel, sodass sie kaum noch etwas erkennen konnten. Maya krabbelte über die Felle und holte die Teelichter, die Louis aus der Stadt mitgebracht hatte. Nacheinander zündete sie die kleinen Kerzen mit dem neuen Feuerzeug an, deren züngelnde Flammen die Höhle in goldoranges Licht tauchten. » Danke, dass du die gekauft hast.«
» Hm?« Louis wandte sich zu ihr um.
Maya kam wieder näher heran. » Na, die Kerzen und das Feuerzeug.« Sie lächelte.
» Klar.« Louis räusperte sich und blickte ihr in die grünen Augen. » Gern geschehen.«
Dann wandte er sich wieder der Fotografie zu, die nun im Schein der Kerzen besser zu erkennen war. Es tat gut, Mayas Körper so dicht bei sich zu haben. Nicht weil er etwas von ihr wollte, sondern weil sie diese angenehme Wärme ausstrahlte. Es war gut, nicht alleine zu sein. Es war gut, ihren wilden Geruch nach Beeren und Moos zu riechen. Und es war gut, nicht unten in St. Golden sein zu müssen, wo er niemanden mehr hatte und nicht klar war, wem er überhaupt noch vertrauen konnte.
Maya fuhr mit dem Zeigefinger über das Bild. » Okay, wen haben wir alles? Das hier, der fesche Typ in der Badehose neben diesem blonden Mädchen, ist mein Vater. Er hieß Heinrich, aber sie haben ihn alle immer nur Henry genannt.«
» Er sieht nett aus.«
Maya nickte. » War er auch. Hat meine Mutter leider anders gesehen. Die fand, er ist ein kompletter Verlierer.«
Louis zog die löchrige Wolldecke fester um sich, die Maya ihm vorhin zugeteilt hatte. » Wo ist deine Mutter?«
» Als ich noch ganz klein war, hat sie sich so einen reichen Fuzzi geangelt und ist mit dem nach Spanien abgehauen.« Mayas Stimme bekam einen wütenden Unterton. » Zuerst hat sie mir noch ab und an Postkarten geschrieben. Von wegen, wie sehr sie mich vermisst und wie sie hofft, dass ich sie bald besuchen komme. Aber immer wenn ich dann zur ihr wollte, hat es gerade nicht gepasst, weil ihre sogenannte Finca renoviert wurde, sie dringend eine Reise machen musste oder ihre neuen Kinder Windpocken hatten.«
» Wow!« Louis zog die Augenbrauen hoch. » Klingt richtig übel.«
» Tja. Ich fand’s ehrlich gesagt nicht richtig schlimm.« Maya lächelte verlegen. » Ich meine: Es hat mich schon ziemlich getroffen. Aber was sollte ich machen? Mir blieb nichts anderes übrig, als es zu schlucken. Glücklicherweise hatte ich immer ein engeres Verhältnis zu meinem Vater.« Sie stockte, offenbar fiel es ihr schwer über ihren Vater zu sprechen. Gerade, als Louis sagen wollte, dass sie nichts erzählen musste, wenn sie nicht wollte, fuhr sie fort: » Er war zwar eher schüchtern und still. Hat nie viel geredet. Dafür hat er sich wirklich für mich interessiert.«
»Und«, fragte Louis vorsichtig, » und deine Mutter hat später nie nach dir suchen lassen?«
Maya zog einen Mundwinkel nach oben und scharrte mit den Füßen über den Boden. » Woher soll ich das wissen? Zumindest hat mich niemand gefunden.« Sie grinste und senkte ganz leicht ihre Stimme ab. » Mal abgesehen von dir.«
Louis fühlte, wie seine Wangen warm wurden. Wäre es heller in der Höhle gewesen, hätte Maya womöglich gesehen, dass er rot wurde. Schnell tippte er auf einen Jungen, der etwas versetzt hinter Mayas Vater stand. » Das da ist mein Vater Mike.«
» Habe ich mir schon gedacht.« Maya guckte Louis an. » Ihr seht euch echt ähnlich. Beide ziemlich draufgängerisch.«
» Oh ja. Das war er. Er war aber auch ein Familienmensch. Er hätte alles getan, um uns zu beschützen. Alles. Ich meine, er hat es ja dann auch getan, als er sich für meine kleine Schwester geopfert hat. Ich frage mich, ob meine Mutter das eigentlich wusste?«
Maya ging etwas näher heran. » Ist sie das da neben ihm?«
»Jepp.« Plötzlich überflog ein stolzes Lächeln Louis’ Gesicht, das genauso plötzlich erstarb. » Ja, das ist sie.« Er holte tief Luft und stieß sie schließlich wieder aus. » Bella. Meine Mutter. Das schönste Mädchen von St. Golden.«
Maya legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel und sah in liebevoll an. » Sie war sehr hübsch. Wirklich unglaublich hübsch. Bestimmt waren die Jungs verrückt nach ihr. Und wer sind diese beiden da?«
» Das sind Michelles Eltern.
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