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Der Atem der Apokalypse (German Edition)

Der Atem der Apokalypse (German Edition)

Titel: Der Atem der Apokalypse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Pinborough
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sonderbare Weise vertraut. Er war schon einmal hier gewesen, vor langer, langer Zeit.
    Nach Äonen in den Tiefen rang er nach Luft, als die Leere vor ihm plötzlich mit Licht und Farbe und schrecklicher Schönheit erfüllt wurde. Es bereitete ihm schon Schmerzen, diese Pracht nur anzusehen, und er weinte, weil er selbst so klein war. Das war das Chaos. Chaos im Dunkel, es zupfte an etwas in seinem Inneren, zog ihn näher heran, und vor Angst und Ehrfurcht zerriss es ihn beinahe. Das Chaos kreischte. Er runzelte die Stirn. Früher hatte das Chaos nicht geschrien, doch woher wusste er das? Und als er auf die Farben zutrieb, die seine Augen zum Bluten brachten, kannte er kein Vorher und kein Nachher mehr. Es gab nur noch das Jetzt.
    Er konnte sich in den Farben verirren, die so hell brannten und ihn im Kreis schubsten, von einem Faden zum anderen, doch sogar inmitten ihrer stolzen Schönheit sah er Tupfen goldenen Leuchtens. Im Gegensatz zu dem tanzenden Chaos bewegten sich die glänzenden Blitze des Leuchtens nicht, und auf einmal hatte er ein Bild vor Augen: Fliegen in einem Spinnennetz. Er zitterte, als er an dem goldenen Schleier vorbeitrieb, der gequält aufschrie. Der Schrei hörte nicht auf. Würde der Schrei jemals aufhören?
    Er wollte weiter vorwärts, um einen Weg zu finden, doch das Chaos schob ihn hin und her, bis er in seinem Labyrinth gefangen war. Überall war Farbe, verwirrend und von den schrecklichen Schreien des Leuchtens durchschossen. Er zwang sich innezuhalten und stillzustehen. Früher war hier ein Weg gewesen, weiß und ruhmreich – das wusste er, obwohl er keine Ahnung hatte, woher er das wusste oder wer er überhaupt war. Er wusste nur, dass hier ein Weg gewesen war, den sie angelegt hatten. Wo war er jetzt, verborgen in den blendenden, tanzenden Farben? Und wer waren
sie
? Wohin führte dieser Weg?
    Ein Faden aus Lila, Blau und Pink löste sich aus der Masse und wand sich klebrig um ihn. Er hörte sich schreien, ein schreckliches Geräusch, das lauter wurde, als er es abschütteln wollte. Das war eine Falle; das Chaos würde ihn hierbehalten, wenn es nur konnte, so wie es die Tupfen kreischenden goldenen Lichts in die Mitte seiner Farben zwang. Er kämpfte gegen die Energie an, die ihn vorwärts trieb, statt ihn frei schweben zu lassen. Er musste hier raus. Er musste zurück.
    Ein ferner Klang neckte ihn, Musik knapp außer Reichweite. Die Töne waren rein und stark und er versuchte, über das Chaos hinwegzusehen, durch die Farben. Er wollte wissen, woher die Musik kam, doch die Anstrengung würde ihn in den Wahnsinn treiben. Also hörte er zu. Es klang nach Trompeten, ungeduldigen melodischen Ausbrüchen, die ihn noch mehr entsetzten als das Chaos. Er erinnerte sich an die Musik, so wie er sich an das Chaos im Dunkel erinnert hatte. Nun streckten noch mehr Farben die Fühler nach ihm aus, doch er war zu müde sich zu wehren. Gleich würde er weinen. Vielleicht war er hier, dachte er, vielleicht sogar für immer, und die plötzliche Unendlichkeit der Ewigkeit rammte eisige Scherben in seinen Kopf.
    Die Farben verfolgten ihn. Das Chaos war …
    … und er rang nach Atem, sog Luft in seine wunde Brust. Die Welt war ein Wirbel aus Übelkeit, Verwirrung und Hitze. Als die Augenbinde abgerissen wurde, musste er heftig blinzeln – und bestand einen Augenblick lang nur aus Sinnen, als sein Körper auf seine Umgebung reagierte, während sich sein Bewusstsein aus dem All zurückzog. Er war gleichzeitig hier und dort – und ihm war kotzübel.
    »Bringen Sie ihn hier raus – schnell!«
    »Er sieht schrecklich aus.« Die gedämpfte Stimme klang geschockt.
    Cass, der verwirrt und kaum bei Bewusstsein war, drehte sich um und sah durch den Schleier vor seinen Augen einen unbekannten jungen Mann, der ihn von den Geräten befreite. Die erste Stimme hatte er aber erkannt, wie er sie überall erkennen würde. In diesem Augenblick kannte er sie besser als sich selbst.
Mr Bright.
    Und als ihm der Name einfiel, wurde ihm seine ganze Welt wieder bewusst:
Cass Jones. Luke. Die Bank. Die Toten …
    Er stöhnte.
    »Das geht vorbei«, sagte Mr Bright. »Vielleicht müssen wir ihn tragen.«
    Die Armfesseln wurden gelöst. Als Cass sich aufrichten wollte, wurde ihm schwarz vor Augen und sein Mund bewegte sich, als wollten sich die Geister Tausender Fragen stellen, doch man konnte nichts verstehen.
    Cass stützte sich schwer auf den Fremden und wandte den Kopf, um zu sehen, was Mr Bright machte. Er kauerte neben

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