Der Atem der Apokalypse (German Edition)
unangenehme Art gehabt. Solomon hatte ihn nie leiden können; angeblich war er
ihm
zu ähnlich. Selbstverständlich war er nicht so stark, aber grausam genug, nur um der Grausamkeit willen. Dennoch war das Sterben das Sterben und trotz seiner zur Schau getragenen Coolness hatte sicher auch Mr Craven Angst davor. Kein Wunder, dass ihn die Menschen in dem Film so interessierten.
Die Angst erwies sich als gefährlich, hatte Mr Bright bemerkt. Seit einigen Wochen hatte er die Dinge nicht mehr ganz so fest im Griff wie vorher. Dafür wurden ihm viel zu viele Gerüchte von Meinungsverschiedenheiten hinterbracht. Die Zirkel trafen sich nicht regelmäßig und es schien, als kümmerte sich jeder nur um sich selbst. Einig waren sie sich höchstens darin, dass immer mehr glaubten, Mr Bright wäre seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen. Der Abgang von Mr Bellew hatte noch dazu beigetragen. In den alten Zeiten war er General gewesen und hatte viele von ihnen dazu ermutigt, mitzukommen.
Mr Bright hatte versucht, die wahre Geschichte von Mr Bellews Untergang unter Verschluss zu halten, doch es gab Gerüchte und in den Blicken vieler Leute las er das Wort
Putsch
. Er musterte noch einmal Mr Cravens blasse, eingefallene Wangen. Bisher hatten sie noch kein neues viertes Mitglied in den Inneren Zirkel berufen, doch wenn Mr Craven von ihnen gegangen war, würde es sich nicht vermeiden lassen, neue Mitglieder zu ernennen, und im Ersten Zirkel waren ihm nur wenige wohlgesonnen. Er fragte sich wirklich, wie jemand so arrogant sein konnte zu glauben, er wäre besser als er.
Während er die zarte Kaffeetasse noch in der Hand hielt, wanderte Mr Brights Blick zurück zum Bildschirm. Da war er wieder, Detective Inspector Cassius Jones: Er fiel auf den Rücksitz eines Autos, das mit quietschenden Bremsen am Ende der Baustellengasse gehalten hatte. Jemand stieß die Tür auf und zog ihn ins Wageninnere. Es handelte sich um dieselben Aufzeichnungen der Überwachungskameras, die sich auch die Polizei angesehen hatte, doch sie konnten nicht sehen, was Mr Bright sah und was die anderen so verstört hatte. Das Strahlen – das
Leuchten
– es floss vom Fahrersitz über den Bildschirm und als die Tür für Jones geöffnet wurde, strömte noch mehr Gold.
»Wir wissen, dass es sich um eine Gesandte handelt«, sagte Mr Bright. »Es gab bereits entsprechende Gerüchte. Ich verstehe einfach nicht, warum Sie so darauf fixiert sind. Es ist doch keine große Überraschung.«
»Moment«, meldete sich Mr Dublin mit einem sanften Lächeln zu Wort. »So einfach ist es nun auch wieder nicht, oder, Mr Bright? Wir hatten noch nie zuvor Gesandte hier – es waren immer nur Gerüchte, etwas, aus dem Märchen und Sagen gestrickt sind.« Als er sich setzte, achtete er sorgsam darauf, seinen Leinenanzug nicht zu zerknittern. »Wir wissen beide nur zu gut, dass die meisten dieser Gerüchte von einem Ihrer Büros gestreut wurden, um alle auf Linie zu halten. Ich habe das stets respektiert.«
Er zeigte mit dem Finger auf das angehaltene Bild. »Aber das hier? Das haben Sie sich nicht ausgedacht. Das ist wirklich eine Gesandte. Und wenn eine Gesandte hier ist, ist
er
vielleicht auch nicht weit.«
»Ich kann Ihre Besorgnis verstehen, Mr Dublin.« Mr Bright ließ seine Augen trotz seiner Erschöpfung weiter funkeln. Warum glaubten sie, sie müssten ihm sagen, was er zu tun hatte? Er war immer schon der Denker unter ihnen gewesen; er war ihnen weit voraus. Er war der Architekt.
»Selbstverständlich müssen wir herausfinden, was die Gesandte vorhat«, sagte er. »Sie sind offenbar nicht hier, um mit uns zu reden, sonst wären sie bereits auf uns zugekommen. Möglicherweise ist
er
einfach neugierig, wie wir nach so langer Zeit zurechtkommen. Vielleicht langweilt
er
sich ein wenig. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die Gesandte wieder geht, ohne Kontakt mit uns aufgenommen zu haben.« Er stellte vorsichtig die Untertasse auf seinen Schreibtisch. »Es versteht sich, dass ich alles unternehme, um sie aufzuspüren, aber das ist alles andere als leicht, wie Sie sich denken können.«
»Warum sollten sie Cassius Jones retten? Woher weiß die Gesandte überhaupt, wer er ist?« Mr Dublins Stimme war so sanft und lässig wie immer, doch Mr Bright ließ sich nicht täuschen. Er hatte sich festgebissen und würde sich von einigen beruhigenden Worten nicht davon abbringen lassen.
»Hat es vielleicht etwas mit dem Kind zu tun?« Mr Dublin kam auf den Punkt.
»Könnte sein«,
Weitere Kostenlose Bücher