Der Atem der Apokalypse (German Edition)
offen.«
»Und wieso?« Das war eine radikale Kehrtwendung und Cass wusste nicht, ob er der Sache trauen konnte.
Freeman schenkte Brandy nach, bevor er fortfuhr. »Erinnerst du dich an ein totes Mädchen namens Carla Rae?«
Cass erschauderte. Woher wusste Freeman von Carla Rae? »Selbstverständlich. Sie gehörte zu den Opfern des Fliegenmanns, also Solomons. Mein erster Tatort, nachdem ich den Fall von Bowman übernommen hatte. Was ist mit ihr?«
»Sie war die Enkelin meiner Halbschwester.«
Cass konnte nicht sofort etwas dazu sagen, weil er in dem Schleier aus Schmerz, Alkohol und Medizin Schwierigkeiten hatte, klar zu denken. »Aber wie kann das sein? Das hätte das System doch ausgespuckt. Irgendwer hätte die Verbindung zu dir hergestellt, schon allein meinetwegen.« Wenn er sich recht erinnerte, kam Birmingham in Carla Raes Akte gar nicht vor.
»Falsch, sie konnten es gar nicht wissen. Mein alter Herr hat Maggie nie offiziell anerkannt – meine Mum hätte ihm die Eier abgeschnitten –, aber alle
wussten
, dass sie von ihm war. Er hatte jahrelang mit ihrer Mutter gevögelt. Maggie und ich standen uns nahe, weil wir nur zwei Monate auseinander waren. Wir sind zusammen zur Schule gegangen, haben miteinander gespielt und auch wenn ich sie nie als meine Schwester bezeichnet habe, weil meine Mum verrückt gespielt hätte, wusste ich es doch. Ich war Pate, als sie Jenny bekam, Carlas Mutter. Schon lange vor Carlas Geburt waren sie nach London gezogen, aber ich schickte Jenny trotzdem hin und wieder noch Geld. Jedenfalls bis du aufgetaucht bist und ich im Knast landete und Bright und Solomon mein Leben in die Hand nahmen.«
»Ja, aber worum geht es genau?« Cass kam nicht mehr mit, so sehr er sich auch anstrengte. Es stellte alles auf den Kopf zu hören, wie sehr das Leben eines anderen mit seinem verwoben war, ohne dass er etwas davon gewusst hatte. Er erinnerte sich daran, wie er auf Carla Raes toten Körper hinabgestarrt hatte, um sich einzuprägen, wie der Mörder
Nichts ist heilig
auf ihre nackten Brüste geschrieben hatte. Wie hätte er sich damals gefühlt, wenn er von der Verwandtschaft mit Freeman gewusst hätte?
»Es geht um Folgendes: Ich hatte Solomon von Maggie und ihrer Familie erzählt. Bright konnte das nicht wissen – du und die Polizei auch nicht – aber Solomon. Und trotzdem hat er sie umgebracht.«
»Aber warum?«
»Um uns beide wieder zusammenzubringen – vielleicht um auf Nummer Sicher zu gehen. Er wusste, dass ich den Fall verfolgen würde und du für ihn zuständig warst. Vielleicht wusste er auch, dass du noch mehr Ärger bekommen würdest, und da hätte er verdammt noch mal recht gehabt, was? Vielleicht wusste er, dass ich, wenn er das täte, zu seinem Kumpel Bright gehen würde, um rauszufinden, was der Scheiß sollte. Solomon war wahnsinnig und du weißt besser als ich, was ihn dazu gebracht hat, diese vielen Menschen umzubringen, aber ich weiß, dass er sich Carla ausgesucht hat, weil ich ihm von ihr erzählt habe. Ich glaube, all diese Besuche – angeblich um mich zu kontrollieren und mit mir zu reden – dienten nur dem Zweck, einen Namen zu bekommen – einen Namen, den er in dem vertrackten Spiel benutzen konnte, das er mit dir trieb.«
Cass lehnte sich betäubt zurück.
»Nun ist es so«, fuhr Freeman fort, »dass ich nicht gleich ausflippe, und auch wenn Carla zur Familie gehörte, war sie mir doch fremd, sodass ich nichts übereilen wollte. Aber die Sache ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte Leute – die richtigen diesmal, nicht die Jungs, die ich beim ersten Mal auf Mr Bright angesetzt hatte –, die sich in Mr Bright und Mr Solomon verbissen hatten, aber auch sie kamen immer nur mit Fragen zurück, statt mit Antworten.«
»Willkommen in meiner Welt«, murmelte Cass.
»Ich habe sogar Leute in das Hauptquartier Der Bank eingeschleust, und glaub mir, leicht war das nicht. Aber auch dabei kam nichts heraus. Und dann ging die ganze Scheiße mit dir los. Ich hatte die Sache mit deinem Bruder und seiner Familie mitbekommen und wusste, dass er bei Der Bank arbeitete, aber dann sollten es doch Bowman und MacIntyre gewesen sein. Aber als du dann mit zwei Morden am Hals abgehauen bist, war mir klar, dass da mehr dran war.«
»Wieso?« Cass hatte einen trockenen Mund. Freeman hatte ihn die ganze Zeit beobachtet.
»Du bist kein Mörder, ob du nun Charlie bist oder Cass oder Scheiß-Shirley. Ich war einmal dabei, als du jemandem den Kopf weggeschossen
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