Der Atem der Apokalypse (German Edition)
über ein normales Interesse an der Blutsverwandtschaft weit hinausging. Doch jetzt musste er zugeben, dass er ebenfalls eine gewisse Zuneigung zu dem Mann gefasst hatte, den er seit so vielen Jahren steuerte. Doch davon abgesehen kannte er Cassius gut genug, um zu wissen, dass er ihn verfolgte, wo immer er auch sein mochte. Das wusste er genau. Blut war schließlich dicker als Wasser.
Und das war letztendlich nicht das Schlechteste.
Er ging schneller. Cass Jones war immer noch der unberechenbare Faktor. Der Erste hatte sich seltsam verhalten, was angesichts dessen, was er durchgemacht hatte, vielleicht nicht ungewöhnlich war. Dennoch musste Mr Bright das in seine Pläne einbeziehen. Es konnte gut sein, dass Cass Jones sich auch noch in dieses Spiel einmischen würde – Cass Jones und seine Blutlinie waren nach wie vor wichtig, und wenn die anderen das abstritten, waren sie einfach nur dumm.
Als sein Handy vibrierte, sah er kurz aufs Display, ehe er ranging. »Mr Dublin?«
»Mr Bright.«
»Sie haben das mit Mr Craven geklärt?«
»Sozusagen. Er muss immer noch ein paar Dinge zurückgeben, aber er ist draußen. Und ich glaube nicht, dass ihm noch viel Zeit bleibt.« Mr Dublins freundliche Stimme neigte schon immer ein wenig zur Rührseligkeit und das war auch heute so.
»Gut.«
»Ich hätte nie gedacht, dass ich einem von uns eines Tages den Tod wünschen würde.«
»Dann lassen Sie es doch«, antwortete Mr Bright nüchtern. »Was Sie sich in diesem Fall wünschen, wird wenig Einfluss auf das Geschehen haben. Ich glaube, so viel steht bereits fest.« Er konnte sich nicht auch noch mit dieser endlosen Klage über Dinge, die nicht zu ändern waren, befassen. Ihre Welt veränderte sich und sie mit ihr. Mr Dublin hatte es immer vermieden, sich die Hände schmutzig zu machen, doch unter seiner Fassade war er auch nicht anders als sie alle. »Wollten Sie etwas Bestimmtes von mir?«
»Es geht um das Experiment«, sagte Mr Dublin. Falls er sich über Mr Brights barschen Tonfall geärgert hatte, behielt er es für sich. Er fuhr leise und präzise fort.
»Was ist mit dem Experiment?« Trotz der zahlreichen Selbstmorde und der darauf folgenden Ermittlung hatte der arme Dr. Shearman für alles den Kopf hinhalten müssen. Klugerweise hatte er den Mund gehalten und nicht verraten, was er über das vermisste Kind der Jones wusste. Das würde sich bei dem noch anstehenden Prozess für ihn auszahlen. Doch die Suche nach den Gängen dauerte an, jetzt mehr im Stillen und mit weniger erlesenen Versuchspersonen, doch an der Dringlichkeit hatte sich nichts geändert. Auch wenn die Ergebnisse bisher niederschmetternd waren, konnten sie es sich nicht leisten, die Forschungen abzubrechen.
»Ich möchte mich näher damit befassen.«
»Wollen Sie sagen, dass sie sich selbst auf die Suche nach den Gängen machen wollen?« Mr Bright gestattete sich ein kurzes launiges Lachen.
»Selbstverständlich nicht.« Mr Dublin ging nicht auf seinen Witz ein. »Ich möchte mich mehr einbringen – zum Beispiel könnte ich die Einrichtung eine Zeitlang beaufsichtigen. Vor allem, wenn man die … enttäuschende Rekonvaleszenz des Ersten in Betracht zieht. Sie selbst haben schließlich immer so viel zu tun.«
Mr Bright hätte beinahe gelächelt. Sie tun immer so, als wären sie die besten Freunde, wenn sie einem in den Rücken fallen wollen. So war es immer schon gewesen.
Sie
waren alle gleich.
»Vielen Dank, Mr Dublin«, sagte er ruhig. »Das wäre eine große Hilfe.«
Er beendete den Anruf. Ein Rad im anderen, wie Mr Solomon gesagt hätte. Ein Rad im anderen.
Mr Dublin steckte das Handy wieder in die Tasche und lächelte sanft. »Wir können das Experiment haben.«
»Gut«, knurrte Mr Escobar. Für Mr Dublin hörte sich das dunkelhäutige neue Mitglied des Inneren Zirkels nach dem heißen Dreck und der Korruption Südamerikas an. Er ersetzte Mr Bellew. Obwohl er vom Aussehen her grober wirkte, hatten die beiden einiges gemeinsam. Mr Escobar hatte weder die innere Stärke noch die Intelligenz von Mr Bellew – der sie vor so langer Zeit in die Schlacht geführt hatte, während der blutrünstige Mr Escobar viele Ränge unter ihm stand –, doch auch er war ein Kämpfer, der wie Mr Bellew die Lager gewechselt hatte.
Es war interessant, dachte Mr Dublin, die Krieger in ihrer Schar zu beobachten. Damals waren sie immer am treusten gewesen, doch kaum war der Aufstand gelungen, kaum hatten sie sich überreden lassen, mit dem Ersten zu
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