Der Atem der Apokalypse (German Edition)
Stuhl saß, obwohl er nur eine Schwellung auf der Wange hatte. Er war starr vor Angst.
»Du hattest recht«, sagte Osborne nach einem Blick von dem Mann auf dem Stuhl zu Cass. »Er passt ganz gut.«
»Sag ich doch«, bestätigte Wharton mit einem Nicken. »Jones muss vielleicht ein bisschen was von seiner affigen Frisur abschneiden, aber es kommt hin. Gut, ich suche mal die Küche und mache Tee. Ich bin am Verdursten.«
»Und ruf Jimmy an. Wir brauchen ihn hier später, damit er auf unseren Gastgeber aufpasst.« Osborne warf Cass einen Blick zu. »Und? Was denken Sie?«
Cass ging näher heran, um sich den Mann genau anzusehen. Wharton hatte ihn gut ausgesucht. Der Mann war in seinem Alter, ungefähr gleich groß und hatte eine ähnliche Figur und Hautfarbe. Wenn er den Kopf gesenkt hielt, käme er vielleicht damit durch. »Es könnte funktionieren.« Er sah den Mann an, der auf dem Stuhl zitterte. »Wie heißen Sie?«
»Martin Cromer. Dr. Martin Cromer. Was …?« Er leckte sich die Lippen und atmete tief durch, bevor er fragte: »Was wollen Sie von mir?«
»Sehen Sie mich nicht so ängstlich an«, antwortete Cass. »Wir brauchen nur die nächsten Stunden Ihres Lebens.« Er lächelte. »Und einige Informationen.« Er zündete sich eine Zigarette an, wartete, bis Wharton mit dem Tee zurückkam, und begann mit seinen Fragen.
Um halb vier Uhr morgens, als die meisten Pfleger, wie Dr. Cromer ihnen verraten hatte, eine Pause im Aufenthaltsraum machten, bevor sie um sechs Uhr die letzten Tabletten ausgaben, fuhr Cass mit dem Saab vor Calthorpe House vor. Als er Cromers Karte in den Schlitz steckte, leuchtete das rote Lämpchen grün auf und summte, ehe das Tor aufschwang. Er fuhr zu den Parkplätzen neben dem Haus und stellte das Auto in der dritten Parkbucht von links ab. Cromer hatte behauptet, dass er dort immer parkte, und Cass glaubte ihm. Der Arzt war kein großer Lügner, dafür hatte er viel zu viel Angst. Als er erst mal angefangen hatte zu reden, hatte er sie mit Informationen geradezu überschüttet.
Cass bezweifelte, dass Cromer in irgendeine Verschwörung verwickelt war; er war ein ganz normaler Mann, und wenn Cass nicht so auf Luke fixiert gewesen wäre, hätte er ihm vielleicht auch leidgetan. Doch ihm würde nichts passieren, außer einer angstvollen Nacht, und damit wurde ein Mensch fertig.
Im Laufe der Nacht war das Wetter schlechter geworden und die Windschutzscheiben der anderen Autos waren dick vereist. Cass’ Nase lief und er wischte sie auf dem Weg zum Haupteingang am Mantel des Arztes ab. Auf beiden Seiten und in der Mitte des Hauses waren Überwachungskameras angebracht. Cass ahmte mit kurzen Schritten Cromers Gang nach, den er ihnen am Vorabend gezeigt hatte. An der Tür steckte er seinen Ausweis wieder in den Schlitz und blieb, nachdem er den Haupteingang passiert hatte, vor dem zweiten Scanner stehen, sodass das Logo auf der rechten Brusttasche seines weißen Kittels direkt davor platziert war. Auf dem kleinen Bildschirm darüber erschien in Leuchtschrift
Dr. Cromer. 04:38
. Darum kamen die Angestellten alle schon in Arbeitskleidung. Die zweite Sicherheitsmaßnahme war Dr. Cromer zufolge erst vor Kurzem installiert worden, und Cass konnte sich denken, wer auf die Idee gekommen war – wahrscheinlich ungefähr zu der Zeit, als Mr Bright keine Schulgebühren mehr für Luke, sondern stattdessen hier Pflegegeld bezahlte.
Cass’ Herz schlug sehr schnell. Es ging los. Er drehte sich um und ging rechts. Er achtete auf einen stetigen Gang, bis die Empfangsdame kurz hochblickte, ehe sie sich wieder in ihre Zeitschrift vertiefte. Cass sprach ein stilles Dankesgebet wegen der Vorteile moderner Technologie. Er hatte die beiden elektronischen Schranken passiert, wieso sollte sie ihn noch überprüfen? Möglicherweise würde es beim Verlassen des Hauses nicht so einfach sein, aber darum würde er sich kümmern, wenn es so weit war. Je weiter er sich vom Haupteingang entfernte, desto ungemütlicher wurden die Flure. Statt mit Teppichboden waren sie mit Linoleum ausgelegt und in der Luft lag ein Hauch von Dettol. Mit jedem Schritt durchbrach er die Stille.
Ich will wissen, wo der Junge liegt.
Der Junge?
Ja. Er ist acht … nein, neun. Er ist schon neun.
Ich weiß nichts von einem Jungen. Bei den Patienten handelt es sich hauptsächlich um junge Erwachsene bis Anfang zwanzig.
Aber nicht der, den ich meine. Er ist seit ungefähr zwei Jahren da. Denken Sie nach.
Große Augen: Der Groschen ist
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