Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Atem der Welt

Der Atem der Welt

Titel: Der Atem der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Birch
Vom Netzwerk:
eine Tasse.
    »Er ist Leichterschiffer«, sagte sie, »löscht Ladung am Surrey-Dock.«
    »Oh! Herzlichen Glückwunsch!«
    »Danke.« Sie gab ihrer Mutter eine Tasse mit Untertasse. »Frank ist ein guter Kerl.« Sie lehnte sich zurück und rührte in ihrem Tee. Ich fühlte mich wie ein Stein. »Und du, Jaffy? Was hast du jetzt vor?«
    »Ich? Ich hab noch nichts entschieden.«
    »Hat ja auch keine Eile.«
    Es folgte ein langes Schweigen, während wir unseren Tee tranken. Ich musste hier raus.
    »Wie ist es dort, wo du arbeitest?«, fragte ich, und meine Stimme klang barsch.
    »Ach, es geht.« Sie setzte ihre Tasse ab. »Der ist zu heiß.« Sie runzelte die Stirn.
    »Harte Arbeit?«, fragte ich.
    »Harte Arbeit macht mir nichts aus.« Sie sah mich mit halbem Lächeln von der Seite an. Ich blickte weg. »Das Dumme ist nur, dass es mit der Zeit sehr langweilig wird.«
    »So ist es nun mal.«
    Das Feuer zischte.
    »Ich bin nicht sicher, ob ich mir ein Leben an Land vorstellen kann«, sagte ich zu meiner eigenen Überraschung.
    »Bist du wahnsinnig?« Sie lachte.
    »Möglich.«
    »Wahrscheinlich hast du alles Recht dazu.« Sie griff wieder nach ihrer Tasse und blies darauf. »Es ist eigentlich gar nicht so schlecht dort, wo ich arbeite, aber ich drehe durch, wenn ich noch lange da bleibe.«
    »Wehe, du gehst da weg!«, sagte ihre Mutter empört. »Wie sähe das denn aus? Nachdem Mr Jamrach sich so für dich eingesetzt hat?«
    »Ach, Mr Jamrach kennt mich«, sagte Ishbel leichthin und wandte sich an mich. »Weißt du, dass ich einen regelmäßigen Auftritt im Empire hatte?«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    Für einen Moment begegneten sich unsere Augen. Verwirrung stand in ihren. Was meine anging, so weiß ich nicht, was sie darin las.
    »Man hat sich so großartig um uns gekümmert«, erklärte Mrs Linver mir, hielt sich die Tasse unters Kinn und nickte dankbar.
    Das Geld von Fledge.
    »Ja, das hat man.« Ishbel lächelte anmutig. »Ist das nicht komisch?« Dann verzog sie das Gesicht, genauso wie vor Jahren, wenn sie gestolpert war und sich die Knie aufgeschürft hatte. Sie setzte ihre Tasse so ungeschickt heftig ab, dass die Untertasse zerbrach. »Oh, Scheiße!«, zischte sie.
    Tee spritzte auf die Tischdecke.
    »Ach, Ishbel!«, schimpfte ihre Mutter.
    »Es ist doch nur eine Untertasse«, sagte sie.
    Ich beugte mich vor, um beim Aufwischen zu helfen, doch sie schlug mir auf die Hand. Ein Weinkrampf schüttelte sie wie ein Fieberanfall, ihre Tränen stürzten nur so hervor. »Was für eine Schande, dass ihr nicht mal den Drachen gefunden habt«, sagte sie, brachte die Worte aber kaum heraus.
    »Lass mich helfen«, sagte ich und wollte mich erneut um das Chaos auf dem Tisch kümmern.
    »Lass das bloß!« Ishbel sackte wieder auf ihren Stuhl.
    »Komm, mein Herz, wein doch nicht so«, sagte ihre Mutter, aber kaum hatte sie das geäußert, ging es bei ihr los, und ich hielt es nicht mehr aus. Ich stand auf. »Ich muss jetzt gehen«, sagte ich verzweifelt.
    »Ja«, sagte Ishbel, »es ist sehr hart.«
    Mrs Linver hatte die Augen fest geschlossen, saugte an ihren Fingerknöcheln, schluckte trocken.
    »Es tut mir so leid, Mrs Linver«, wiederholte ich lahm, aber sie winkte mich fort.
    Ishbel erhob sich. »Ich bring dich raus.«
    Im dunklen Flur warf sie mir die Arme um den Hals, drückte mich und küsste mich hart auf den Mund. »Es ist so gut, dich wiederzusehen, Jaffy!« Sie lachte und weinte gleichzeitig. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen. Jetzt nahm ich sie in die Arme und zog sie fest an mich.
    »Mein Gott, Ishbel«, murmelte ich. Ihre weiche, warme Brust an meine gepresst.
    »Ich weiß«, sagte sie, »es muss die Hölle gewesen sein.«
    »Herrgott.« Ich wollte sie nicht loslassen. Sie war all das Gute und Schöne, nach dem ich mich auf dem Boot gesehnt hatte. Ich hätte sie zerquetschen können.
    »Armer, armer Jaffy«, flüsterte sie weich, wiegte sich sanft mit mir und streichelte meinen Hinterkopf. Das ging einige lange Sekunden so, bis wir uns ungeschickt voneinander lösten und, als wären wir betrunken, benommen zur Tür stolperten.
    »Kommst du bald mal vorbei, damit wir richtig reden können?«, fragte sie, während sie mir die Tür öffnete. »Morgen muss ich wieder arbeiten, und vor Freitag nächster Woche gibt es nicht die kleinste Verschnaufpause. Gehst du am Samstag ins Malt Shovel?«
    »Weiß ich noch nicht.«
    »Na, wir sehen uns sicher demnächst«, sagte sie, lächelte und gab mir einen letzten Kuss,

Weitere Kostenlose Bücher