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Der Atem der Welt

Der Atem der Welt

Titel: Der Atem der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Birch
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Riese mit Ton gespielt. Wo man auch hinblickte, sah man Gesichter. Und die Fährte war deutlich, ein einziger Pfad aus unheimlichen, handähnlichen Abdrücken, klauenbesetzt. Vom Umfang großer Essteller.
    Ein merkwürdiger, rot gepunkteter Krebs krabbelte an meinem Fuß vorbei. Felix sammelte große weiße, geringelte Muscheln und stapelte sie bei den Booten auf. Neben dem Käfig spalteten Martin und Abel Holz für Pfähle. Wellen mit weißen Schaumkronen rollten ans Ufer. Oben, wo der Strand an den Wald grenzte, hatte sich totes Holz angesammelt. Ich lief umher und sah mir alles Mögliche durch mein Fernglas an – rote und blaue Vögel in den Bäumen, die Felsen im Meer, die Schlucht –, bis ich zu dicht an die Bäume geriet und plötzlich erschrak, als ich in das blasse, unruhige Grün blickte. Die Baumstämme waren silberne Striche. Das stumme Echo von etwas unendlich viel Dichterem und Dunklerem brütete tief dort drinnen, wie dumpfes Geheul aus einer Kehle.
    Ich hörte Stimmen.
    Der Jägertrupp war erst vor wenigen Stunden aufgebrochen, und nun kamen sie schon wieder zurück.
    Alles an diesem Landgang war anders als bei den anderen Malen. Sie wirkten aufgeregt, da war etwas in ihren Gesichtern. Es gebe mehrere Fährten, sagten sie, weiter oben. Sie bräuchten mehr Pfähle, mehr Seil. Eine Menge Seil. Der Plan wurde geändert. Wir würden ein oder zwei Tage hierbleiben, ein Lager am Strand aufschlagen. »Wir vier«, sagte Dan, »wir werden es weiter oben fangen und herunterbringen, aber wir brauchen mehr Leute. Drei mehr.«
    Er blickte mich an und lächelte freundlich. »Jetzt kommt deine Chance, Jaff, wenn du immer noch willst.«
    »Ich will«, sagte ich, und im selben Moment meldete sich eine wachsame Stimme in meinem Kopf: Du bist wahnsinnig, du bist wahnsinnig, du musst nicht gehen. Es war nie die Rede davon, dass du gehen musst. Bleib hier, du Narr. Spiel mit Billy Stock Pharao auf dem Schiff. Es interessiert doch keinen, ob du mitgehst oder nicht.
    »Los, komm, Jaff«, sagte Tim. »Es ist einfach toll da oben. Du musst unbedingt mitkommen.« Er berührte meinen Arm. »Komm mit uns, Jaff«, sagte er, und seine Augen flehten mich förmlich an, mitzukommen und ihm Gesellschaft zu leisten.
    Ich lachte. »Du wirst mich nicht aufhalten können«, sagte ich.
    »Gut.« Dan klatschte in die Hände. »So, und wer kommt noch mit?«
    »Ich«, sagte John Copper, »ich«.
    Und Dag Aarnasson.
     
    Ein fetter Tausendfüßler schob sich über unseren Weg, ein widerliches rotes Ding wie ein Nervenstrang.
    In den Bäumen wimmelte es von leuchtend bunten Vögeln.
    An einem Ort wie diesem konnte alles giftig sein. Etwas könnte von oben heruntertropfen, einem über den Nacken krabbeln. Skorpione. Spinnen mit Zähnen. Wer weiß, was da oben hauste? Wir marschierten schweigend, alle hintereinander, die Malaien vorneweg und Dan als Letzter. Ich war froh, dass er da hinten war, froh, dass er so unbekümmert schien, und ganz besonders froh, als wir den Wald hinter uns ließen und auf ein steiniges, grasbewachsenes Gelände fast ohne Bäume gelangten. Doch dann musste ich an Schlangen in dem hohen Gras denken, und ich streichelte mit den Fingern den Griff des Schießeisens, das mir gegen die Hüfte schlug. Was nützte das schon gegen eine Schlange? Man sah sie doch erst, wenn es zu spät war.
    Dan rief »Halt!«. Er sagte, wir sollten uns nach Osten wenden. Er sagte, er werde den Drachen mit dem Lasso fangen. Es gebe keinen Zweifel mehr, dass er hier sei, und wir würden ihn lebendig fangen. Das klang lächerlich. Einen Drachen mit dem Lasso fangen? John lachte nervös. Dags Gesicht sah bizarr aus, flach und eckig, mit starr blickenden blauen Augen. »Ich verstehe nicht«, sagte er auf seine schwerfällige Weise.
    »Mach dir mal keine Sorgen«, sagte Dan. »Ich und meine Jungs hier, wir werden uns um alles kümmern. Du hältst dich einfach im Hintergrund und tust, was ich sage, und dann klappt es schon. Am Schluss, wenn keine Gefahr mehr von ihm droht, kommst du mit dem restlichen Seil und hilfst uns, ihn in das Gatter zu schaffen.«
    »Welches Gatter?«, fragte ich.
    »Das, was wir noch nicht errichtet haben«, sagte er. »Eins nach dem anderen. Erst einmal suchen wir eine Stelle, wo wir den Köder auslegen.«
    »Welchen Köder?«
    »Dich, Jaff«, sagte er und verdrehte die Augen, »was glaubst du, weshalb ich dich mitgenommen habe?« Er lachte und gab mir einen Klaps auf den Kopf. »Auch den Köder haben wir noch nicht. Eins

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