Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Atem der Welt

Der Atem der Welt

Titel: Der Atem der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Birch
Vom Netzwerk:
mit viel Gerede über Inseln. Es hätte Inseln geben sollen. Der Kapitän und Mr Rainey steckten häufig flüsternd die Köpfe über dem Quadranten zusammen. Wir dachten, jeden Moment müsste im fernen Dunst eine Küste, ein Berg, ein mit Bäumen bestandenes Ufer auftauchen. Es hätte Inseln geben sollen, und es hätte Schiffe geben sollen.
    »Ich erinnere mich an Zeiten«, sagte Mr Rainey, »als man kei
ne Woche unterwegs sein konnte, ohne einem anderen Walfänger zu begegnen.«
    »Hab ich es nicht gesagt«, erklärte Gabriel. »Mit dem Walfang ist es vorbei.«
    »Jaff«, meinte Tim leichthin, »und was, wenn wir nun in eine andere Welt gesegelt sind?«
    »Dann würde es immer noch Inseln geben.«
    »Und wenn es eine Welt ohne Inseln
ist? Eine Welt, in der es nichts anderes gibt als diesen einen riesengroßen Ozean?«
    In der vierten Nacht nach dem Schwein begann ich zu glauben, dass er recht hatte. Wir waren tatsächlich in eine andere Welt
gesegelt, eine, die neben unserer herlief, eine, die immer da, aber unsichtbar gewesen war. Sie bestand nur aus Ozean. Es konnte nicht unsere Welt sein. Jeder wusste doch, dass der Pazifik voller Inseln war. Wo waren die Walfangschiffe? Wozu taugten die Kompasse und der Quadrant und all die Berechnungen und Beratungen vom Kapitän und Mr Rainey, wenn sie uns nicht innerhalb einer akzeptablen Zeitspanne zu einer dieser Inseln oder in befahrene Gewässer brachte?
     
    John Copper weckte uns, weil er im Schlaf schrie. Grässliche wurmartige Dinger mit scharfen Zähnen seien ihm an Armen und Leib hochgelaufen. »Das ist er !«, sagte John und zitterte so sehr, als hätte jemand einen Eimer voller lebender Fische über ihm ausgeschüttet, wie in dieser alten Geschichte. »Er knufft mich dauernd. Er macht mich wahnsinnig.«
    »Diesmal nicht«, sagte Skip, »das war ich nicht.«
    »Doch«, sagte Simon. »Ich hab dich gesehen.«
    »Hast du nicht.«
    »Mein Kopf bringt mich um«, stöhnte John.
    »Skip, du sorgst für Albträume.« Proctor rieb sich das Gesicht. »Herrgott nochmal, Mann, benimm dich wie der Rest von uns.«
    Wilson Pride mischte sich ein. »Das ist nicht gerecht«, sagte er, »und es ist nicht klug. Für eine Weile sollten Sie ihn mal übernehmen.«
    »Du hast recht«, sagte der Kapitän. »Yan, wechsle den Platz mit Skip.«
    »Oh Gott.« Gabriel streckte sich auf dem Boden aus und beschirmte seinen Kopf mit den Händen.
    »Entschuldigen Sie, Kapitän, aber ich bin nicht sicher, dass das eine gute Idee ist«, sagte Mr Rainey.
    »Wieso nicht? Wenn er hier bei uns bleibt und so weitermacht, wird ihm noch was zustoßen. Wir brauchen eine Atempause.«
    »Wie Sie wünschen, Sir«, sagte Mr Rainey steif, »aber ich kann nicht für ihn garantieren.«
    »Das müssen Sie auch nicht, Mr Rainey«, sagte der Kapitän. »Er kann auf sich selbst aufpassen. Skip, du hast hoffentlich genau zugehört. Reiß dich zusammen.«
    »Ja, Kapitän«, schniefte Skip kleinlaut, stand auf und kletterte zu uns herüber.
    »Skip«, sagte Mr Rainey, »wenn du einen einzigen von uns knuffst – und auch nur ein einziges Mal – hörst du mich? –, dann werf ich dich persönlich über Bord.«
    »Es ist meine Schuld«, sagte Skip kaum hörbar. »Weil ich den Drachen getötet habe.«
    »Du hast den Drachen nicht getötet!«, brüllte Rainey.
    »Doch. Ich hab ihn freigelassen, und da ist er gestorben.«
    »Woher willst du wissen, dass er tot ist?«, fragte Tim. »Er kann doch auch nach Hause geschwommen sein und sitzt jetzt auf seiner kleinen Insel, mit den Enkeln auf den Knien, und erzählt ihnen von seinem großen Abenteuer bei den Verrückten.«
    »Setz dich, Skip«, sagte Dan. »Und halt den Mund.«
     
    Er und sein großmächtiger Gott. Skips großer Gott gab uns regelmäßig die Wetteraussichten durch. Er war nicht schlecht, ich würde behaupten, dass er zu fünfundachtzig Prozent richtig lag. An besagtem Tag hatte er gutes Wetter vorhergesagt, und so wurde es dann auch. An jenem Tag bekam Mr Rainey eine schlimme Kopfgrippe. Seine Augen tränten, und seine Nase lief wie ein Wasserhahn. »Als Nächstes kommt der Husten«, sagte er, »es schlägt mir immer auf die Brust. Ihr haltet euch besser von mir fern.«
    Leicht gesagt!
    »Denkt daran, Jungs«, sagte Dan, während er unser Wasser austeilte, »mit jedem Tag, der vergeht, rückt unsere Rettung einen Tag näher.«
    »Bei Gott, ja«, stimmte Rainey zu und wischte sich die Nase am Ärmel ab.
    Wir tranken ein bisschen und lenzten ein bisschen, als

Weitere Kostenlose Bücher