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Der Atem der Welt

Der Atem der Welt

Titel: Der Atem der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Birch
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bitteren, gummiartigen Schleim hinter meinen Zähnen, der so ekelhaft widerlich schmeckte, wie ein Abwasserkanal in Bermondsey roch.
    »Ich glaube nicht, dass ich das noch lange aushalte«, sagte Gabriel versonnen.
    »Mein Gesicht fühlt sich komisch an«, erklärte ich. Die Worte kamen heraus wie dicker Teig, der zäh vom Löffel tropft.
    »Meins auch«, sagte Tim.
    »Ich glaube übrigens nicht, dass noch ein Schiff kommt«, sagte Skip.
    »Vielleicht ja doch.«
    »Je länger keins gekommen ist, desto schneller kommt eins«, sagte Dan.
    »Ich hab Angst.« Das war ich, mit leiser Stimme. Überwältigt von einer eisigen Furcht, die sich auf meine heiße Haut legte, großes Zusammenschauern ohne Schweiß.
    »Alles in Ordnung, Jaffo«, sagte Tim.
    »Nein.«
    »Doch. Es ist wirklich in Ordnung, verstehst du.« Er lächelte merkwürdig steif.
    »Ja«, erwiderte ich.
    »He, Herr Wirt!« Er schnitt eine Grimasse. »Eine Flasche von Ihrem Besten! Wasser! Perlend, kristallklar, kalt und frisch.«
    »Ihr kriegt ganz bald eure Ration«, sagte Dan.
    Tim und ich saßen dicht nebeneinander und legten einander die Arme um die Schultern. Unsere Münder hätten getropft, wenn sie gekonnt hätten.
    »Weißt du noch, wie wir unter der London Bridge geangelt haben, Jaffo?«
    »Du und ich und Ishbel«, sagte ich.
    »In etwas Butter gebraten«, sagte Tim.
    »Was Ishbel wohl jetzt macht?«
    »Sie wäscht sich die Füße«, sagte er.
    Die Vorstellung, Ishbel wüsche sich gerade die Füße, machte mich froh.
    »Glaubst du wirklich?«
    »Oh ja. Sie fragt sich auch, was mit uns ist.«
    »Sie wäre mitgekommen, wenn sie gekonnt hätte.«
    »Ich weiß.«
    Sie schwitzt. Ishbel-Schweiß ist süß und heiß, der ehrlichste Schweiß in Paddy's Goose, im Hinterzimmer vom Spoony, in Mengs rotem Salon. In diesem brennenden Meer hier ist der Schweiß eher wie Blut, gewaltsam erzwungen.
    Mr Rainey fing an, krampfartig zu niesen, immer und immer wieder.
    »Er wird dran glauben müssen«, sagte Tim.
    Sah so aus.
    »Er wird der Erste sein«, sagte ich.
    »Gut möglich.«
    Ich gähnte, bis mir die Tränen in die Augenwinkel stiegen. Sie trockneten sofort. Keine Wolken. Ein dicker Klumpen schwoll in meiner Kehle.
    »Kann nicht richtig schlucken«, sagte ich. »Ich versuch es schon die ganze Zeit.«
    »Lass es lieber«, sagte Dan.
    »Ich möchte runter von diesem – diesem –« Gabriel stieß einen tiefen Seufzer aus. »Hab die Schnauze voll von dem ganzen verdammten –«
    Mr Rainey begann heiser zu schnarchen.
    »Er ist am Ende«, sagte Dan. »Der arme Kerl.«
    »Warum?« Skip schöpfte mechanisch. Er hatte schwere Augen, die Lider waren geschwollen.
    »Es gibt kein Warum«, sagte Tim.
    »Es gibt immer ein Warum.«
    »Ich kann nicht schlucken.«
    »Versuch es nicht!«
    »Fast Zeit für den Sonnenuntergang«, sagte Skip.
    »Wo sind die anderen?«
    »Da.«
    Ein geisterhaftes graues Boot, das uns ständig verfolgte, darin unsere hohläugigen Schatten.
    Dan weckte Mr Rainey sanft. Das Kapitänsboot kam heran, die Gesichter von Yan und John und Simon und Wilson und Dag. Dags breites Gesicht hatte die Farbe von Teakholz, sein Haar war weiß wie Käse aus Lancashire, sein Schnurrbart wild und drahtig. Der Kapitän und Mr Rainey teilten uns unsere Rationen aus.
    »Mjam mjam«, sagte Tim.
    » Griff mir ein Hühnchen, griff mir ne Gans «, sang Gabriel. Die Wunden auf seinen Lippen waren aufgesprungen und gingen alle ineinander über. Seine Stirn glänzte.
    »Au!« Meine Zunge klebte fett und pelzig am Gaumen.
    »Hier, nimm das.« Dan tröpfelte mit den Fingern Wasser zwischen meine Lippen. Meine Zunge löste sich.
    »Ich geh rein«, sagte Skip.
    »Das würde ich nicht«, sagte Dan. »Du kriegst Salz in die Wunden, und dann schreist du.«
    »Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an«, antwortete Skip, »ich bin sowieso am ganzen Körper salzig. Solange es kalt ist, ist es mir egal.«
    »Mir auch«, sagte Tim, »ich komm mit.«
    »Lasst nicht den Rand los«, sagte Dan.
    Und so kletterten sie über Bord, sanken langsam ins kühle Meer, ihre Köpfe hüpften neben uns her. Es war lustig. Sie wussten nicht, ob sie stöhnen sollten, weil das Salz so biss, oder vor Wonne seufzen, weil das Wasser ihr Blut kühlte. Also lachten sie stattdessen, blickten einander an und kicherten wie Kinder.
    »Wie ist es?«, fragte ich.
    Ich wäre auch gegangen, aber ich hatte das Gefühl, wenn ich das Boot verließ, würde ich es nie wieder hinein schaffen, deshalb beugte ich mich nur

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