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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Hallo, hallo, hallo? Er fühlte sich schuldig, sie hatte gerade ihr Kind verloren, und so reagierte
     er darauf. Aber es war eigenartig, denn Huren hatten ihn nie angemacht. Er kannte genug von ihnen. Sie übten einen Beruf aus,
     der Probleme geradezu anzog; sie arbeiteten in einer Welt, die nur einen kleinen Schritt von ernstzunehmenden Verbrechen entfernt
     war. Und sie waren mehr oder weniger alle gleich – egal, wieviel sie kassierten.
    An Christine van Rooyen war etwas, das sie von den anderen, die er kannte, unterschied. Aber was? Als er sie mit den übrigen
     verglich, fiel es ihm auf. Prostituierte, von den Straßenhuren in Sea Point bis zu den paar, die für viel Geld die Touristen
     im
Radisson
bedienten, hatten zwei Dinge gemeinsam. Diesen besonderen bittersüßen Geruch. Und irgendeine Form von Schande. Sie strahlten
     etwas Depressives aus. Wie ein Haus, ein vernachlässigtes Haus, in dem immer noch jemand lebt, aber man kann an dem Zustand
     bereits sehen, daß ihnen alles egal ist.
    |288| Die hier war nicht so. Oder zumindest weniger. Bei ihr brannte immer noch ein Licht.
    Aber das war es nicht, was ihm die Erektion verschaffte. Es war etwas anderes. Ihr Körper? Ihr Blick?
    Teufel, er war Anna nie untreu gewesen. Außer mit dem Alkohol. Vielleicht dachte Anna so: Er war ihr untreu gewesen, weil
     er den Alkohol mit einer allumfassenden Leidenschaft liebte, also war es auch gerechtfertigt, daß sie sich anderweitig umschaute.
     Er fand sogar, daß sie damit irgendwie recht hätte, aber nun war er eifersüchtig und wälzte sich unruhig im Bett. Er würde
     den Kerl zusammenschlagen. Wenn er ihn erwischte. Wenn er nach Hause kam, in sein Schlafzimmer, und sie es dort trieben …
     Er sah die Szene klar vor sich. Er warf sich herum, zerrte am Laken, stopfte seinen Kopf unter das Kissen. Er wollte das nicht
     sehen. Irgendein gutaussehender junger Wichser bumste seine Frau, und er konnte Annas Gesicht vor sich sehen, ihre Ekstase,
     dieses kleine, ganz geheime Lächeln, das ihm verriet, daß sie es genoß, und ihre Stimme, er erinnerte sich an ihre Stimme,
     das Flüstern. Ja, Benny, ja, Benny, ja, Benny. Aber jetzt würde sie einen anderen Namen flüstern, und er sprang auf und stand
     neben dem Bett und wußte: Er würde diesen Arsch erschießen. Er mußte sie anrufen.
Jetzt
. Er mußte etwas trinken. Er mußte die Flasche aus dem Küchenschrank holen. Er trat einen Schritt Richtung Schrank. Er ballte
     die Faust und hielt inne.
    Reiß dich zusammen, sagte er laut.
    Er spürte das Nichts weiter unten. Seine Erektion war verschwunden.
    Kein Wunder.
     
    Es war ein altes Steinhaus mit rostigem Eisendach. Er kletterte über einen in sich zusammensinkenden Maschendrahtzaun und
     mußte um das Wrack eines einfachen Ford-Bakkie auf Ziegelsteinen herumgehen, bevor er die Nummer auf einer der Säulen der
     Veranda lesen konnte. Die Sieben hing schief.
    |289| Drinnen war es dunkel. Thobela schlich vorsichtig zur Hintertür. Er drehte den Knauf. Es war offen. Er trat hinein, schloß
     die Tür leise hinter sich, hielt das Assegai in der linken Hand. Er war in der Küche. Ein Duft hing im Haus. Dumpf, wie Fischpaste.
     Er erlaubte seinen Augen, sich an die Dunkelheit im Inneren zu gewöhnen. Dann hörte er ein Geräusch aus dem Nebenraum.
     
    Als die beiden Mitarbeiter des Sozialamtes gegangen waren, brachte sie den beiden bewaffneten Männern, die vor ihrer Tür wachten,
     eine große Thermoskanne Kaffee und zwei Becher. Dann schloß sie die Tür und ging hinaus auf den Balkon.
    Die Stadt lag vor ihr, ein Wesen mit tausend glitzernden Augen, das langsam und tief in der Dunkelheit der Nacht atmete. Sie
     umklammerte das weiße Geländer und spürte das kalte Metall unter ihren Händen. Sie dachte an ihr Kind. Sonias Augen flehten.
    Es war ihre Schuld. Sie war verantwortlich für die Angst ihres Kindes.
     
    Aus dem Wohnzimmer hörte er ein Schnarchen wie das Grunzen eines Bärs: kurz, barsch und mächtig.
    Thobela schaute um die Ecke und sah einen Mann unter einem Laken auf der Couch.
    Wo war die Frau?
    Familie Scholtz. Ihr zwei Jahre alter Sohn war vor zwei Wochen an einer Hirnblutung im Krankenhaus Oudtshoorn gestorben.
    Der Pathologe des Distriktkrankenhauses hatte Läsionen auf den kleinen Organen, den dünnen Rippen, an Elle, Wangenknochen
     und Schädel festgestellt. Daraus rekonstruierte er das Mißhandlungs-Puzzle. »Das Schlimmste, was ich in fünfzehn Jahren als
     Leichenbeschauer gesehen habe«,

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