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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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zitierte die Sonntagszeitung seinen Bericht.
    Thobela ging über den nackten Boden zu Scholtz hin. Im Dunkel schimmerten die silbernen Halbmonde der Ringe in |290| dem einen Ohr, das sichtbar war. Über den muskulösen Arm zog sich das schwarze Spinnengewebe eines Tattoos, das Muster war
     ohne Licht nicht recht auszumachen. Der Mund stand offen, und am Ende jedes Atemzugs stieß er das Tiergeräusch aus.
    Wo war die Frau? Thobela fuhr mit dem Daumen über den Holzgriff des Assegai, als er vorbeischlich, tiefer ins Haus. Es gab
     zwei Schlafzimmer. Das erste war leer, an der Wand hing ein Kinderbild.
    Ihm wurde übel. Was waren das für Menschen? Wie konnten sie ein Bild ihres Kindes an die Schlafzimmerwand hängen und Augenblicke
     später seinen Kopf dagegendonnern? Oder ihn schlagen, bis seine Rippen splitterten?
    Tiere.
    Er entdeckte die Frau in dem Doppelbett im anderen Zimmer, ihr Körper unter einem Laken. Sie drehte sich. Murmelte etwas Unverständliches.
    Er stand still. Das war ein Dilemma. Nein, zwei.
     
    Christine ließ das Geländer los und ging zurück hinein. Sie schloß die Schiebetür hinter sich. In der obersten Küchenschublade
     fand sie das Gemüsemesser. Es hatte eine lange, schmale Klinge, leicht gebogen, mit einer kleinen, scharfen Spitze. Das brauchte
     sie jetzt.
     
    Er wollte die Frau nicht töten. Das war sein erstes Problem.
    Ein Krieg gegen Frauen war kein Krieg. Nicht
sein
Krieg, nicht der Freiheitskampf, mit dem er zu tun haben wollte. Das wußte er jetzt, nach Laurens. Sollten die Gerichte, so
     fehlerhaft sie arbeiteten, die Verantwortung für die Frauen übernehmen.
    Aber wenn er sie verschonte, was machte er mit dem Mann? Das war sein zweites Problem. Er mußte ihn wecken. Er wollte ihm
     eine Waffe geben und sagen: »Kämpf um dein Recht, einem Zweijährigen den Schädel kaputtzuschlagen, |291| und wir werden sehen, ob du recht hast.« Aber die Frau würde aufwachen. Sie würde ihn sehen. Sie würde Licht machen. Sie würde
     sich einmischen.
     
    Im Badezimmer setzte sich Christine auf den Rand der Badewanne, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. Sie schraubte die Kappe
     von einer Flasche Dettol und stippte die Klinge des kleinen Messers in die braune Flüssigkeit. Dann hob sie ihren linken Fuß
     auf ihr rechtes Knie und wählte eine Stelle aus, zwischen Ferse und Ballen. Sie drückte die scharfe Messerspitze vorsichtig
     gegen ihre weiche, weiße Haut.
    Sonias Blick.
     
    Er ging vorbei an der Tür zum Schlafzimmer, in dem die Frau lag, ganz nah. Da sah er den Schlüssel im Schloß und wußte, was
     er zu tun hatte.
    Er zog den Schlüssel aus dem Schloß. Das verursachte ein leises Ratschen und er hörte, wie ihr Atem flacher wurde. Schnell
     schloß er die Tür. Sie quietschte. Er stieß den Schlüssel von außen hinein. Hastig mühte er sich, ihn ins Schlüsselloch zu
     bekommen.
    Er hörte sie etwas im Zimmer sagen, ein unklares, unverständliches Wort.
    Schließlich brachte er den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn um.
    »Chappie?« rief die Frau.
    Der Mann auf der Couch hörte auf zu schnarchen. Thobela wandte sich ihm zu.
    »Chappie!« rief sie jetzt lauter. »Was machst du da?«
    Der Mann setzte sich auf der Couch auf und warf das Laken zur Seite.
    »Ich bin hier wegen des Kindes«, sagte Thobela.
    Er bemerkte Scholtz’ Schultern. Ein kräftiger Mann. Das war gut.
    »Da ist ein Kaffer im Haus!« rief der Mann seiner Frau zu. |292| Sie rammte sich die Klinge in den Fuß, so fest sie konnte. Sie konnte den Schrei nicht unterdrücken.
    Der Schmerz war allumfassend. Er verbrannte das Leid; er überdeckte alles, genau wie sie gehofft hatte.

34
    Griessel träumte ein wildes Durcheinander, das ihn zweimal aufwachen ließ, bevor er gegen drei Uhr morgens schließlich endgültig
     einschlief. Er sprach im Traum mit Anna, ein Gespräch ohne Richtung oder Zweck, als das Handy ihn weckte. Er griff danach,
     fand es nicht, das Gerät fiel von der Fensterbank und landete irgendwo auf dem Bett. Er ertastete es, weil das Display leuchtete.
    »Ja?« Er konnte seine Irritation nicht verbergen.
    »Inspector Griessel?«
    »Ja.«
    »Tut mir leid, Sie zu wecken. Tshabalala hier, von der Außenstelle Oudtshoorn. Es geht um Ihren Assegai-Mörder.«
    »Ja?« Er tastete auf der Fensterbank nach seiner Uhr.
    »Sieht so aus, als wäre er letzte Nacht in Uniondale gewesen.«
    »Uniondale?« Er fand seine Uhr und schaute darauf. 04.21.
    »Wir haben hier einen Kinderschläger, Frederik

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