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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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innen. Den Fensterhebel.
    Was noch?
    Eine weitere Sirene, irgendwo aus der Stadt.
    Was hatte er noch berührt? Den Rückspiegel? Er wischte ihn ab, aber er hatte es eilig, machte es nicht richtig.
    Langsam. Er wischte wieder auf dem Spiegel hin und her.
    Er sah den schwarzen Fleck eines Hubschraubers am blauen Himmel, er kam über den Devil’s Peak.
    Sie waren hinter ihm her.
    Als er von Sangrenegras Haus fortfuhr, bevor er unten an der Straße um die Ecke gebogen war, hatte er etwas im Rückspiegel
     gesehen. Oder nicht?
    Sie waren hinter ihm her.
    Er fluchte auf xhosa, eine einzelne Silbe. Ein Fußgänger kam oben vom Signal Hill herunter.
    Vier lange Schritte, dann saß er in seinem Bakkie.
     
    »Ich hatte keine Ahnung, wie alles enden würde«, sagte sie zu dem Priester. Sie versuchte zu rechtfertigen, was sie ihm erzählen
     würde. Sie bemerkte die Tonlosigkeit ihrer Stimme. Sie war sich ihrer Müdigkeit bewußt, als hätte sie keine Kraft mehr für
     das letzte Stück. Es lag daran, daß sie es im Kopf so viele Male durchgegangen war, sagte sie sich.
    |370| Als sie den Ausschnitt zum ersten Mal gesehen hatte, die Augen von Carla Griessel, und dazu das schreckliche Wissen, daß alles
     ihre Schuld war – aber auch die Erleichterung, daß sie noch Schuld und Reue empfinden konnte. Nach all dem. Nach all den Lügen.
     Nach all den Täuschungen. All den Jahren. Sie konnte immer noch den Schmerz von jemand anders fühlen. Konnte mitfühlen. Konnte
     mit jemand anders als mit sich selbst Mitleid haben. Und empfand Scham über diese Erleichterung.
    Sie atmete tief durch, um ihre Kräfte zu sammeln, denn diese Erklärung war es, die zählte.
    »Ich hatte Angst«, sagte sie. »Das müssen Sie verstehen. Ich hatte panische Angst. So wie Carlos Sonia anschaute … Ich dachte,
     ich kenne ihn. Das war eines der Probleme. Ich kenne Männer. Ich
mußte
sie kennen. Und Carlos war ein unartiges Kind. Eigentlich harmlos. Er nervte und war eifersüchtig und besitzergreifend, aber
     er wollte es einem auch recht machen. Er hat meine Klienten zusammenschlagen lassen, aber er hat es niemals selbst getan.
     Bis zu diesem Augenblick glaubte ich immer noch, ich könnte ihn kontrollieren. Das war es vor allem. Bei all den Männern.
     Sie zu kontrollieren, ohne daß sie es wußten. Aber dann sah ich sein Gesicht. Und ich wußte, alles, was ich gedacht hatte,
     war falsch. Ich kannte ihn nicht. Ich konnte ihn nicht kontrollieren. Und ich hatte Angst. Panische Angst.
    Ich … es war nicht so, daß ich einen Plan schmiedete. Ich hatte bloß all diese Sachen im Kopf. Den Artemis-Mann und das Zeug
     aus Carlos’ Haus, die Drogen und all das und die Angst, wie er Sonia angeschaut hatte. Ich glaube, wenn jemand wirklich Angst
     hat, panische Angst, dann beginnt ein Teil des Hirns zu arbeiten, von dem man noch gar nichts wußte, der übernimmt einfach.
     Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen, denn man muß es
erlebt
haben.
    Ich rief Carlos an und sagte, ich wolle mit ihm reden.«
     
    Thobela hatte beim Fahren das Radio an. Er entschied sich bewußt für Nebenstraßen und fuhr instinktiv nach Osten, Richtung |371| Wellington, durch Bains Kloof, über Mitchells Paß nach Ceres, über die Kieswege nach Sutherland.
    Zuerst verwarf er die Möglichkeit, daß Sangrenegra unschuldig sein könnte.
    Die übrigen Elemente fügten sich zuerst zusammen – die Bewegungen im Haus gegenüber, der Mann, den er glaubte im Rückspiegel
     über die Straße laufen gesehen zu haben.
    Die Zeitungsberichte, die ihn angelockt hatten. Carlos’ Worte: »Die Polizei …« Er wollte etwas sagen, er wußte etwas.
    Sie warteten auf ihn. Sie hatten ihm eine Falle gestellt, und er war wie ein Narr hineingetappt, wie ein Amateur, unbedacht,
     arrogant.
    Er fragte sich, wieviel sie wußten. Hatten sie in dem Haus auf der anderen Straßenseite eine Kamera? Schickten sie sein Foto
     schon jetzt an die Zeitungen und Fernsehstationen? Konnte er es riskieren, nach Hause zu fahren?
    Aber vor allem beschäftigte ihn die Möglichkeit, daß Carlos unschuldig war.
    Sein Protest. Sein Gesichtsausdruck.
    Der große Unterschied zwischen Carlos und den anderen, die die Klinge als Flucht willkommen hießen. Oder als Gerechtigkeit.
    Herr! Wenn der Kolumbianer unschuldig war, war Thobela Mpayipheli ein Mörder.
    Dreißig Kilometer westlich von Fraserburg hörte er auf einem Radiosender, der immer wieder stärker und schwächer wurde, zum
     ersten Mal die Meldung.
    »Einer Einsatzgruppe

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