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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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eine einfache Regel«, sagte Lombardi. »Wenn jemand einem etwas nimmt – Geld, Besitz, was auch
     immer –, sagt man, er ginge mit
culebras
auf dem Rücken durchs Leben. Das heißt ›Schlangen‹. Er hat eine giftige Schlange auf dem Rücken, die ihm über die Schulter
     schaut und jederzeit zubeißen kann. Die
Guajiro
glauben unbeirrbar an
Justicia
. Gerechtigkeit. Rache.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Griessel.
    »Ich will damit sagen, daß Sie, Inspector Griessel, als verantwortlich für Carlos’ Tod betrachtet werden. Sie, der Mann mit
     dem Speer und die Prostituierte. Sie alle haben
culebras
auf dem Rücken.«
     
    Der Detective Inspector mit der Schlange auf dem Rücken würde zu spät kommen. Er hatte seinen Koffer zu schnell gepackt, und
     als er an der Küche vorbeiging, hatte er sich die Brandyflasche aus dem Regal gegriffen und noch hineingestopft. Er riß ein
     Blatt Papier aus seinem Notizbuch und kritzelte hastig ein Dankeschön an Charmaine Watson-Smith darauf. Einen Augenblick lang
     dachte er an das einzige Gedicht, das er kannte, es begann mit: »Es gab’nen jungen Mann aus Australien …« Aber er konnte sich
     an den Rest nicht erinnern, und es war auch egal.
    Er stellte den sauberen Teller vor ihre Tür und lief zum Ausgang des Wohnblocks. Als er ihn erreichte, wurde ihm klar, wie
     Charmaines Zeitung verschwand. Er blieb stehen, drehte sich um, lief zurück zu ihrer Tür, klopfte und nahm den Teller wieder
     hoch.
    Es dauerte eine Weile, bis sie öffnete.
    |361| »Aber, Inspector …«
    »Madam, tut mir leid, ich muß meinen Flug erwischen. Ich wollte mich nur bedanken. Und ich weiß, was mit Ihrer Zeitung geschieht.«
    »Ach?« sagte sie und nahm den Teller.
    »Jemand nimmt sie mit, wenn er das Haus verläßt. Nimmt sie einfach mit. Am Morgen.«
    »Meine Güte …«
    »Ich muß los. Ich werde mich darum kümmern, wenn ich zurück bin.«
    »Ich danke Ihnen, Inspector.«
    »Nein, Madam, ich danke Ihnen. Das …« Einen Augenblick lang fiel ihm nicht das richtige englische Wort ein. Er wollte »Schaffleisch«
     sagen, obwohl er wußte, daß es falsch war »… Lamm, das Lamm war wunderbar.« Er lief zurück zum Ausgang und dachte, er sollte
     sich jetzt besser beeilen, denn er
war
zu spät.
     
    Als der zweite Brandy mit Coke ihn durchflutete und seine himmlische Wärme verbreitete, lehnte er sich in seinem Flugzeugsitz
     zurück und seufzte tief vor Vergnügen. Er war eine Niete, ein Säufer, aber so war das eben – er war zum Saufen geboren. Das
     konnte er am besten, da fühlte er sich ganz und richtig und eins mit der Welt. Das Gedicht fiel ihm wieder ein.
    Es gab’nen jungen Mann aus Australien,
    der malte sein’ Arsch voll mit Dahlien.
    Die Farben war’n hell
    und es leuchtete grell,
    doch der Duft war nicht zu ertragien.
    Er grinste und fragte sich, wieviel andere ihm noch einfielen, jetzt, wo sein Hirn wieder an die Arbeit ging. Früher hatte
     er die alle runterrattern können.
Es gab’nen jungen Mann aus Brasilien, der liebte die lieblichen Lilien …
Vielleicht konnte er über sich selbst etwas dichten.
Ein Detective Inspector der trank …
    |362| Er nahm einen weiteren Schluck aus dem viel zu kleinen Plastikbecher, zwei Eiswürfel drin, und dachte:
    Da war der Doof-Bulle vom Kap,
    der machte beim Ermitteln schlapp.
    Die Stewardeß kam ihm entgegen, und er hob sein Glas und tippte mit dem Zeigefinger dagegen. Sie nickte, wirkte aber nicht
     besonders begeistert. Wahrscheinlich fürchtete sie, daß er sich auf ihrem Flug vollaufen lassen würde. Die mit ihrem zurückgekämmten
     Haar und dem kleinen roten Mündchen, sie konnte sich entspannen, er schlug vielleicht seine Frau und fickte Huren und war
     eine Niete als Polizist, aber saufen konnte er, allerdings. Das war das, was er am besten konnte.
    Ließ den schwarzen Speermann laufen,
    konnte danach bloß noch saufen …
    Aber was zum Teufel reimte sich auf »Kap« und »schlapp«? Ihm fiel bloß »kack« ein. Vielleicht sollte er noch einmal anfangen,
     da kam die Stewardeß mit seinem nächsten Drink.
    Auf seinem Rücken keine Schlange, zack!
     
    »Sir, ist mit Ihnen alles in Ordnung?« fragte die Frau bei der Autovermietung mit leicht gerunzelter Stirn, und er sagte:
     »Aber sicher.« Dann unterschrieb er mit leichter Hand neben jedem verfluchten Kreuz, das sie auf den Mietvertrag gemacht hatte.
     Sie gab ihm die Schlüssel, und er marschierte hinaus in den windigen Abend von Port Elizabeth. Er dachte daran,

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