Der Atem des Jägers
Tür zu meinem Zimmer im Gardens Centre.«
Im Schlafzimmer in dem Haus in Camps Bay stand ein Himmelbett. Er hatte einen teuren, bekannten Inneneinrichter engagiert,
der mit dem Schlafzimmer angefangen hatte, und alles war weiß: Vorhänge, Bettzeug, und die Vorhänge am Bett sahen aus wie
die Segel eines Schiffes. Er gab an wie ein kleiner Junge, hielt seine Hände den ganzen Weg durch den Flur über ihre Augen
und sagte dann »Ta-daaa!« und beobachtete ihre Reaktion. Er fragte sie vier oder fünf Mal: »Gefällt dir das Schlafzimmer?«
Sie sagte: »Es ist wunderschön«, denn das war es auch.
Er hechtete auf das Bett und rief: »Komm zu Carlos!« Er war nicht zu bändigen, noch ungestümer als sonst, und sie versuchte
zu vergessen, daß die Bodyguards irgendwo im Haus waren.
Später lag er neben ihr und fuhr zärtlich die kleinen Kreise um ihre Brustwarze mit der Spitze seines kleinen goldenen Kruzifixes
entlang. »Wo wohnst du, Conchita?«
»Das weißt du doch …«
»Nein, wo
wohnst
du?«
»Gardens Centre«, entgegnete sie in der Hoffnung, daß er das Thema fallenlassen würde.
»Glaubst du, Carlos ist dumm, weil er dumm aussieht? Du |160| arbeitest da, aber wo ist dein Zuhause, wo hast du Bilder am Kühlschrank hängen?«
»Ich kann mir keine andere Wohnung leisten, du zahlst mir zu wenig.«
»Carlos zahlt dir zu wenig? Carlos zahlt dir zu viel. Die ganze Zeit sagen die Geldmänner: ›Carlos, wir sind hier, um Geld
zu verdienen, vergiß das nicht.‹«
»Du hast einen Buchhalter?«
»Natürlich. Glaubst du, Carlos ist ein kleiner Fisch? Kokain ist ein großes Geschäft, Conchita, ein sehr großes Geschäft.«
»Oh.«
»Nimmst du Carlos mit in dein Zuhause?«
Niemals, dachte sie, auf keinen Fall, aber sie sagte: »Irgendwann …«
»Traust du Carlos nicht?«
»Kann ich dir eine Frage stellen?«
»Conchita, du kannst Carlos alles fragen.«
»Hast du meinen Klienten zusammenschlagen lassen?«
»Welchen Klienten?« Aber er konnte nicht wirklich lügen, er guckte verschlagen. Er ist ein Kind, dachte sie, und das machte
ihr Angst.
»Bloß einen Klienten. Dreiundfünfzig Jahre alt.«
»Warum glaubst du, Carlos hätte ihn geschlagen?«
»Nicht du. Aber vielleicht die Bodyguards?«
»Hat er Drogen gekauft?«
»Nein.«
»Sie schlagen nur Leute, die nicht für Drogen bezahlen,
hokay
?«
»Okay.« Sie wußte, was sie hatte wissen wollen. Aber es half gar nichts.
21
Griessel und Cliffy saßen in einem Fischrestaurant hundert Meter vom Eingang zu
Woolworth
entfernt, jeder mit einem kleinen Ohrhörer. Sie hörten André Marais zum hundertsten |161| Mal sagen: »Test, Test«, aber diesmal sagte eine blecherne Stimme im Hintergrund: »Nächster Kunde, bitte.«
Cliffy Mketsu nickte, wie jedes Mal. Das irritierte Griessel unendlich. Marais konnte ihn verdammt noch mal nicht nicken sehen,
sie stand in der Lebensmittelabteilung von
Woolworth
, und sie waren hier. Sie trug bloß ein Mikrofon, keine Ohrhörer. Die Kommunikation lief nur in eine Richtung, aber Cliffy
mußte immer nicken.
Am Tisch gegenüber tranken ein Mann und eine Frau Rotwein. Die Frau war sicher schon vierzig, aber hübsch, wie Farrah Fawcett,
mit großen, runden, goldenen Ohrringen und reichlich Ringen an den Fingern. Der Mann war jung genug, ihr Sohn sein zu können,
hielt aber dann und wann ihre Hand. Sie störten Griessel, weil sie Wein tranken. Weil er den dunklen Geschmack in seinem Mund
fühlen konnte. Weil sie Geld hatten. Weil sie zusammen waren. Weil sie trinken und zusammensein konnten, und was war mit ihm?
Er saß hier mit Nickmann Cliffy Mketsu, dem cleveren Cliffy, der damit beschäftigt war, seinen Master in Kriminalistik abzulegen,
ein guter Polizist, aber verwirrt, unendlich geistesabwesend, als dächte er die ganze Zeit nur an seine Bücher.
Könnten Anna und er jemals wieder so dasitzen und Freude aneinander empfinden? Händchen halten und Wein trinken und einander
in die Augen schauen? Wie machten die Leute das? Wie entflammte man nach zwanzig Ehejahren wieder die Romantik? Aber das war
sowieso verdammt egal, denn er würde nie wieder Wein trinken können. Nicht, wenn man Alkoholiker war. Dann konnte man gar
nichts trinken. Nichts. Keinen gottverdammten Tropfen. Man dürfte nicht einmal an Rotwein riechen.
Er hatte Doc Barkhuizen gesagt, daß er sich betrinken würde, aber der Doc hatte gesagt: »Rufen Sie Ihre Frau und Ihre Kinder
an und erzählen Sie denen das«, denn
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