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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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tiefen Stimme ein frustriertes Geräusch von sich, als er plötzlich von seinem Hotelbett hochzuckte.
     Er hatte sich gegen drei Uhr hingelegt, hatte die Vorhänge zugezogen, damit die Sonne draußen blieb, hatte die Augen geschlossen
     und seinem eigenen Herzschlag gelauscht. Sein Kopf summte von zu wenig Schlaf, seine Arme und Beine fühlten sich an wie Blei.
     Er war erschöpft. Er atmete gezielt und versuchte, die Anspannung in seinem Körper loszulassen. Er schickte seine Gedanken
     aus der Gegenwart an die friedlichen Wasser des Cata River, wo der Nebel wie ein Gespenst über die Hügel der Farm strich.
    Nur um Augenblicke später zu bemerken, daß seine Gedanken davongelaufen waren und ihm im Rhythmus des Pulsierens seiner Schläfen
     andere Informationen ins Bewußtsein pumpten.
    Pretorius, der in seinem Schrank nach einer Waffe tastete.
    Die Ewigkeit der Augenblicke, bevor er den Mann erreichte, das Jaulen des Alarms, der Rhythmus seines Herzschlags.
    Eine großgewachsene Frau, die über ein kleines Mädchen |165| aufragte, ein Billardqueue, der gehoben wurde und herniederging, sie traf und schlug mit dämonischer Wucht, und das Blut spritzte
     aus dem Kopf des Kindes, und er wußte, worin sein Problem bestand – die Frau, die Frau. Er hatte noch nie eine Frau getötet.
     Er führte einen Krieg gegen Männer, so war das immer gewesen. Im Namen des Freiheitskampfes, siebzehn Mal. Sechzehn in den
     Städten Europas, einen in Chicago; Männer, Verräter, Attentäter, Feinde, zum Tode verurteilt von Komitees im kalten Krieg,
     und er wurde losgeschickt, um die Strafe auszuführen. Jetzt zwei im Namen des neuen Krieges. Tiere. Aber Männer.
    Lag Ehre im Töten einer Frau?
    Je mehr er seine Gedanken anderswo hindrängte, desto eilfertiger huschten sie zurück, bis er sich mit einem tiefen Seufzen
     erhob und die Vorhänge wieder öffnete. Draußen keine Bewegung, helle Sonne, Farben. Er schaute über den Kanal zum Eingang
     der Waterfront. Arbeiter strömten zu Fuß Richtung Innenstadt, zu den Taxiständen in der Adderley Street. Schwarze und Farbige
     in den leuchtenden Overalls der Handwerker. Sie gingen entschlossen, freuten sich auf das Wochenende, wollten nach Hause oder
     in eine illegale Kneipe. Zu ihrer Familie. Ihren Freunden.
    Seine Familie war tot. Er wollte das Fenster aufreißen und schreien: Leckt mich alle, meine Familie ist tot!
    Er atmete tief durch, legte seine Hände auf die kühle Fensterbank und ließ den Kopf hängen. Er mußte schlafen, so konnte er
     nicht weitermachen.
    Er wandte sich um. Das Laken war zerknittert. Er zog es gerade, strich es mit seinen großen Händen glatt, zog und zupfte,
     bis es flach lag. Er schüttelte die Kissen auf und legte sie ordentlich nebeneinander.
    Dann setzte er sich auf das Bett und nahm das Telefonbuch aus dem Nachttisch, er fand die Nummer und rief Boß Madikiza im
     Yellow Rose an.
    »Hier ist Tiny. Ich habe nach John Khoza gesucht, erinnern Sie sich?«
    |166| »Ich erinnere mich, mein Bruder.« Kneipenlärm dröhnte bereits am späten Nachmittag im Hintergrund.
    »Haben Sie etwas gehört?«
    »Haiziko. Nichts.«
    »Behalten Sie Ihr Ohr am Boden.«
    »Da ist es sowieso immer.«
    Er stand auf und ging zum Schrank. Der Stapel saubere Sachen auf dem oberen Brett war sehr klein, der Berg gefalteter Dreckwäsche
     war groß, Socken, Unterwäsche, Hosen und Hemden, alle in eigenen Stapeln.
    Er holte zwei kleine Plastikbehälter mit Waschmittel und Weichspüler aus seinem Koffer und begann die Wäsche in kleine Häufchen
     zu sortieren. Das Ritual war zwanzig Jahre alt, aus der Zeit in Europa, in der er gelernt hatte, aus einem Koffer zu leben.
     Alles unter Kontrolle zu haben, ordentlich und organisiert. Denn der Anruf konnte jederzeit kommen. Damals hatte er ein Spiel
     daraus gemacht: Die Klamotten nach Farben zu sortieren hatte ihn zum Lächeln gebracht, denn das war Apartheid – die Weißen
     hier, die Schwarzen da, die Bunten auf ihrem eigenen Häufchen, jede Gruppe in Sorge, daß die Farben der anderen Gruppe sie
     beflecken könnten. Er hatte immer zuerst die schwarzen Sachen gewaschen, denn »hier kommen die Schwarzen zuerst«.
    So tat er es auch diesmal, aus reiner Gewohnheit. Er preßte und rieb das Material im Seifenwasser, spülte einmal, dann noch
     einmal, verdrehte die Kleidungsstücke zu langen Würmern, um das Wasser herauszudrücken, bis seine Muskeln hervortraten. Hängte
     sie auf. Als nächstes die bunten Sachen, die weißen konnten

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