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Der Atem des Rippers (German Edition)

Der Atem des Rippers (German Edition)

Titel: Der Atem des Rippers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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    Ja, aus welchen Gründen eigentlich?
    „An Martha Tabram hat ein Dilettant sich versucht“, antwortete ich. Mir war nicht nach Lügen zumute. Ich fühlte mich im Recht. Wenn er schon im Begriff war, die Wahrheit zu erfahren, dann die ganze und präzise Wahrheit, nicht die der Presse.
    Meine Aussage war ein Geständnis gewesen, und er wurde darauf still und finster. An diesem Tag wechselte er kein Wort mehr mit mir. Er zog sich aus meinem Zimmer zurück, und später sah ich ihn den ganzen Tag über beten. Ob er es für mich tat oder für sich oder für die armen Toten, das weiß ich nicht.
    Heute ist er nicht zur Polizei gegangen. Wird er es morgen tun? Die Situation ist nun eine neue: Ich muss jeden Augenblick damit rechnen, verhaftet zu werden. Sicherheit gibt es keine mehr für mich. Alle Sorgfalt, mit der ich vorgegangen bin, war vielleicht umsonst.
    Ein Mörder würde an meiner Stelle möglicherweise mit dem Gedanken spielen, ihn zum Schweigen zu bringen. Ich könnte es nicht. Abgesehen davon, dass diese Tat ganz Scotland Yard auf meine Spur bringen würde – ich könnte nicht einen Menschen aus derart niedrigen Gründen töten. Ich bin ein Metzger, kein Mörder.
    In all meiner Verzweiflung kann ich doch nichts tun, als mich zur Ruhe zu zwingen. Weniger als zwei Monate verbleiben bis zu meiner Abreise. Was mir zuvor als schlimmste Strafe erschien, kommt mir nun milde vor, verglichen mit dem Galgen, der hier in London auf mich wartet. Könnte ich doch nur früher fahren – je früher, desto besser. Ich fürchte, mein Talisman wird mir nichts nützen, wenn mich die Polizei erst einmal in den Fingern hat.
    Sie werden mich behandeln wie einen Mörder.
    East London Observer
    Samstag, 15. September 1888
    KOMMENTAR
    Die Problematik des East End
    Der Osten Londons musste schon so manche übertriebene und verzerrte Beschreibung seiner Einrichtungen und Bewohner ertragen, doch der Austausch, der in den letzten Jahren zwischen dem Osten und dem Westen etabliert wurde, hat viele Vorurteile ausgelöscht, die in den Köpfen der Menschen gegenüber unserem großartigen Industriebezirk bestanden. Es ist daher umso bedauerlicher, dass die scheußlichen, rasch aufeinander folgenden Morde der letzten Zeit die Wirkung zu haben scheinen, unseren Teil der Stadt in den Augen der anderen zu diskreditieren. Um nur ein Beispiel aus all dem Unsinn herauszugreifen, der über uns geschrieben wird: „Wie man es auch betrachtet – das East End ist ein Seuchenherd unserer Zivilisation.“ Die Verfasser solcher Zeilen können den Osten Londons nicht wirklich kennen, doch der sorglose Umgang mit solchen Äußerungen erweckt im Geist jener, die sie lesen, eine Vorstellung, die nur schwer wieder auszulöschen ist. Die Menschen in den Provinzen, die unsere Hauptstadt nach solcher Lektüre besuchen, haben zweifellos Angst davor, sich uns auch nur zu nähern; und doch würden sie rasch herausfinden, dass ihre Person und ihre Besitztümer im East End so sicher sind wie in jedem anderen Teil des Königreichs. Es mag sich herausstellen, dass die verbrecherischen Taten, die die Öffentlichkeit so sehr entsetzen, das Werk einer irren oder schwachsinnigen Kreatur sind, die zu der Ansicht gekommen ist, es sei ihre Mission, Frauen von unmoralischem Lebenswandel zu töten, oder genügend von ihnen, um ihresgleichen in Angst und Schrecken zu versetzen. Sollte dies der Fall sein, ist es ein Unglück, dass er sich unser Ende der Stadt ausgesucht hat; doch es berechtigt niemanden dazu, das East End als „Seuchenherd“ zu verdammen.
    EINE HERRSCHAFT DER ANGST IN WHITECHAPEL.
    Eine neue grauenvolle Tragödie.
    Die Menschen in Panik.
    Die Polizei ratlos.
    SPEZIALREPORTAGE.
    Der Schauder der Entrüstung und des Grauens, der die gesamte Hauptstadt im Zusammenhang mit den schrecklichen Einzelheiten um den Mord an der Frau namens Nichols in Buck’s Row erfasste, hatte kaum Zeit abzuklingen, als letzten Samstagmorgen – gerade eben eine Woche nach dem Vorfall in Buck’s Row – London aufs Neue von den Nachrichten einer weiteren Tragödie erschüttert wurde – diesmal in der Hanbury Street. Als die Details des Mordes an die Öffentlichkeit drangen, erwiesen sie sich als noch als weitaus schrecklicher als jene, die mit dem Mord an Polly Nichols verknüpft sind.
    John Davis, der in der Hanbury Street 29 lebt – ein dreistöckiges Haus, dessen vorderer Raum im Erdgeschoss als Geschäft für Katzenfleisch genutzt wird, während ein

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