Der Atem des Rippers (German Edition)
Hinweisschild über dem Eingang zum Flur in unregelmäßigen weißen Buchstaben verrät, dass hier Mrs. A. Richardson, eine Herstellerin von Frachtkisten, wohnt – begab sich am Morgen gegen sechs Uhr in den Hinterhof. Der Hof lässt sich durch drei Steinstufen erreichen, die aus dem Flur hinauf führen, und links von der Treppe befindet sich ein Zaun, der diesen Hof von dem benachbarten trennt. Die Tür aus dem Flur hinaus in den Hof stößt beinahe gegen diesen Zaun, wenn sie geöffnet wird. Als Davis die oberste Stufe erreicht hatte, sah er zwischen der Treppe und dem Zaun – in einem Raum von etwa drei Fuß Breite – eine Szenerie, die ihm das Blut vor Grauen gefrieren ließ. Eine Frau lag dort, ihre Kleider so weit hochgezogen, dass ihre wie vor Pein angezogenen Knie sichtbar waren, zusammen mit dem unteren Teil ihres Unterleibs, der in furchtbarer Weise verstümmelt war. Die Eingeweide, mit den Gedärmen und dem Herzen, waren buchstäblich aus dem malträtierten Körper herausgezogen worden und lagen neben ihr. Der Kopf der Frau war nach hinten gedreht und wies einen gewaltigen Schnitt auf – so breit und so tief, dass der Kopf beinahe vom Körper getrennt war. Das Gesicht – das einer Frau um die Vierzig – war totenblass und das gewellte braune Haar ein wenig zerwühlt. Das Fleisch in der unteren Körperhälfte war teilweise zerfetzt, das Kleid mit Blut besudelt – ebenso wie ein guter Teil der Einzäunung, der offenbar einen Strahl aus einer durchtrennten Arterie abbekommen hatte.
Die Szenerie zu beschreiben, die sich an jenem Samstagmorgen entfaltete – als die Augen der Hauptstadt sich an einem hellen, sonnigen Tag wie einmütig auf dieses kleine Leichenschauhaus abseits der grimmigen Montague-Street richteten, mit der schwarzen Totenkiste darin und einem Haufen Lumpen – denn mehr als Lumpen waren sie nicht –, aus denen das Blut der ermordeten Frau langsam sickerte und tropfte, wäre nahezu unmöglich. Zu sagen, dass die gesamte Nachbarschaft – nein, der gesamte Londoner Osten – vor Schrecken gelähmt war, vermittelt nur einen schwachen Eindruck von der Panik, die herrschte. Dass ein Mord sich nahezu unter den Nasen der dicht gepflanzten Polizeikräfte ereignet hatte, die eigens dazu eingesetzt worden waren, um nach dem Vorfall in Buck’s Row die Gegend im Auge zu behalten; dass der Mord von den schrecklichen und unverwechselbaren Verstümmelungen begleitet war, die keinen Zweifel an der Übereinstimmung des Mörders von Polly Nichols mit dem von Annie Chapman lassen; dass das Leben einer Frau geopfert und ihr Körper so widerlich entstellt wurde, während ein Dutzend Leute sich in Hörweite aufhielten, und dass diese dennoch kein Schrei, kein halb erstickter Hilferuf erreicht haben sollte; dass einige Hundert geschäftiger Marktleute keine zwanzig Yards davon entfernt hin und her gegangen waren und doch keinerlei Ahnung von dem grauenhaften Verbrechen hatten, das verübt worden war – Überlegungen wie diese, sowie das schmerzliche, tiefe und offenbar unergründliche Geheimnis, das die gesamte Angelegenheit umgab, ließ Frauen Meilen davon entfernt sich voller Angst in ihre Häuser verkriechen, und selbst starke Männer sahen sich unsicher um, während sie ihre muskulösen Hände zu Fäusten ballten und dem Vollbringer einer solch abscheulichen Tat murmelnd Rache schworen. Männer, die auch nur die geringste Ähnlichkeit mit den Porträts des Schuldigen hatten, die die Fantasie der vielen angeblichen Zeugen sich ausgemalt hatte, wurden gnadenlos durch die Straßen gejagt und gehetzt, bis sie den Schutz der Polizei suchten oder die aufgebrachte Menge von ihrer Unschuld überzeugen konnten.
Jeder Zeitungsverkäufer im Umkreis von zwei Meilen kann bestätigen, dass es niemals, solange er zurückdenken kann, einen solchen Ansturm auf die Abendzeitungen gegeben hatte. Menschenmengen warteten vor den Läden, bis frischer Nachschub hereingebracht wurde, während sich um jene, die sich erfolgreich ein Exemplar gesichert hatten, neue Mengen scharten, die mit empörtem Grummeln die entsetzlichen Einzelheiten des Mordes lasen. Gerüchte weiterer Morde kamen in Umlauf, und einige davon wurden bereitwillig geglaubt, bis das östliche London von Angst wie gelähmt war. Berichte von mehreren Festnahmen machten die Runde, und Tausende von Menschen versammelten sich vor den Polizeistationen in der Leman-Street, der Commercial-Street und in Bethnal Green und grölten und schrien nach dem Mörder von
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