Der Atem Manitous
Rückens, dort wo der Nacken endete. Im Normalfall fiel das rabenschwarze Haar darüber und verbarg den Flaum vor fremden Blicken.
»Ich verstehe immer noch nicht .«
Monas Eingeständnis veranlagte den attraktiven Arapaho-Vampir, sich hinter sie zu setzen und in die Arme zu nehmen, als wollte er sie vor etwas beschützen. Zugleich signalisierte er damit unmißverständlich, daß er sie nicht als Feindin betrachtete. Nur als jemanden, der über eine unglaublich lange Zeit noch eine Rechnung bei ihm offen gehabt hatte.
»Du hättest mich - beinahe umgebracht!« warf Mona ihm vor und drehte ein wenig den Kopf, um ihn ansehen zu können.
»Du mich damals auch!« konterte er gelassen. Er wirkte entspannt, obwohl auch ihm der Höhepunkt ihres ekstatischen Treibens versagt geblieben war. Offenbar war ihm das Bewußtsein, sich für die Todesängste von damals revanchiert zu haben, wertvoller.
»Ich war dem Verdursten und Verhungern nahe«, sagte sie. »Ich wäre fast gestorben!« Die sonderbare Wendung, die das Liebesspiel - oder überhaupt ihr Aufenthalt in diesem Tipi - genommen hatte, machte ihr zu schaffen.
»Soweit hätte ich es nicht kommen lassen - und habe es auch nicht, wie du siehst.«
Hinter ihren Augen schien ein Unwetter heraufzuziehen. Das Blau verfinsterte sich und geriet in Bewegung wie quellende Wolken. Ein Betrachter mußte erwarten, jeden Moment von einem Blitz daraus getroffen zu werden.
Wyando ließ auch dies kühl. »Als Joseph zu mir kam, wußte ich noch nicht, wer mit dem Blut dreier Menschen nach unserem Vater gerufen hat. Seine Beschreibung war zu vage. Aber ich fuhr mit ihm in die Stadt, und gleich als ich dich sah, erkannte ich dich!«
»Du warst nie bei mir!«
»O doch. Du hast es nur nicht gemerkt.«
»Eine Kamera?« fragte sie. »Wurde die Zelle videoüberwacht?«
»Solche technische Spielereien brauche ich nicht«, versicherte er. »Ich war bei dir. Ich mußte doch aus nächster Nähe sehen, wie schlecht es dir ergeht. Mußte dein Leiden doch auskosten ...«
»Die Rachsucht scheint eine starke Triebfeder in dir zu sein«, erwiderte sie, ohne weiter zu versuchen, hinter sein Geheimnis zu kommen, wie es ihm gelungen war, sich unerkannt zu ihr zu schleichen. Daß er seine vampirischen Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, lag nahe. Nur ein starker Zauber konnte eine Isolation, wie sie sie in der Zelle erlitten hatte, bewirken.
»Du ahnst nicht, wie sehr mir dieser Charakterzug entgegenkommt«, fuhr sie fort, »und wie stark er sich mit den Beweggründen deckt, die mich nach so langer Zeit wieder in eure Gegend führten ... Aber bevor ich mehr darüber verrate, solltest du mir berichten, was mit Makootemane geschah. Wann er von euch ging ...«
Nun spiegelte sich doch Verblüffung in seinem Gesicht - den Zügen eines Mannes, der kaum noch Ähnlichkeit mit dem Jungen von damals hatte.
»Du weißt davon?« fragte er erschüttert. »Du weißt, daß er -«
»Du würdest kaum noch so vorteilhaft aussehen, wäre er noch am Leben«, fiel sie ihm ins Wort. »Er hätte euch alle ins Verderben gerissen!«
Stumm sah Wyando sie an.
Und als er das nächste Mal sprach, war die Reihe wieder an ihm, sie zu verblüffen: »Das mag sein, aber du irrst, wenn du glaubst, er sei tot. Er ist noch am Leben. Er weilt nur nicht mehr . unter uns .«
*
Während sie durch das Geisterdorf schritten, zu dem das Lager der Arapaho-Vampire verkommen war, berichtete Wyando, was vor etwa neun Wochen geschehen war.
»Makootemane, unser Vater, hatte abends am Feuer die mächtige Vision, daß ein purpurfarbener geflügelter Drache vom Himmel herab und über ihn herfiele. In dem Gesicht, das ihn warnte, erlebte Makootemane, wie er von diesem Drachen als erster verschlungen wurde - dann aber selbst zum Drachen wurde und mitansehen mußte, wie er all seinen Kinder durch seine bloße Nähe jenen Segen stahl, den er ihnen einst aus seinem Blute geschenkt hatte.
Wir alle starben in der Vision unseres Vaters unter schrecklichen Qualen! Das Blut unserer Nachkommen, von dem wir seit alters her lebten, sättigte und schützte uns nicht länger. Auch die Magie darin vermochte die Krankheit, die der Drache über uns brachte, nicht in Schach zu halten, geschweige denn sie besiegen ...«
»Wo ist Makootemane jetzt?« fragte Nona, deren Blick von den Totempfählen angezogen wurde, die immer noch in der Mitte des Dorfes aufragten. So wie jedes Zelt, jeder Verschlag noch aussahen wie zu jener Zeit, da sie an Landrus Seite hierher
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